Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der Gebühren im einstweiligen Anordnungsverfahren. Anwendbarkeit der Nr 3102 VV RVG trotz Beauftragung im Widerspruchsverfahren

 

Orientierungssatz

1. Wird der Anwalt im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beauftragt, erhält er die Verfahrensgebühr der Nr 3102 VV RVG auch dann, wenn er bereits im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren tätig ist. Es reicht nicht die reduzierte Verfahrensgebühr nach Nr 3103 VV RVG.

2. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sind grundsätzlich Gebühren unterhalb der Mittelgebühr anzusetzen.

 

Tatbestand

Die Erinnerungsführerin begehrt eine höhere Kostenerstattung in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Die Erinnerungsführerin bezieht von der Antragsgegnerin des einstweiligen Anordnungsverfahren, das der Kostenfestsetzung zu Grunde lag, der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Diese hatte die ARGE mit Bescheid vom 18.5.2005 für den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2005 in Höhe von monatlich 797,97 EURO gewährt. Nachdem die ARGE erfahren hatte, dass die Erinnerungsführerin gemeinsam in einer Wohnung mit einer männlichen Person lebt, übersandte die ARGE der Erinnerungsführerin ein Schreiben vom 23.5.2005, in dem sie mitteilte, dass sie vorsorglich die Alg II-Leistung ab 1.7.2005 gesperrt habe. Dieses Schreiben wertete der Bevollmächtigte der Erinnerungsführerin als Widerspruch und erhob gegen diesen Bescheid Widerspruch. Außerdem beantragte er am 10.6.2005 den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die ARGE und begründete diesen Antrag mit einem knapp zweiseitigen Schriftsatz. Auf die Erwiderung der ARGE hin erfolgte ein weiterer Schriftsatz, der knapp eine halbe DIN-A 4-Seite umfasste. Mit Beschluss vom 29.6.2005 stellte das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 23. Mai 2005 wieder her und verpflichtete die ARGE zur Übernahme der Kosten des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Außerdem wurde der Erinnerungsführerin Prozesskostenhilfe gewährt.

Der Bevollmächtige der Erinnerungsführerin machte daraufhin folgende PKH-Vergütung geltend:

Gebühr 3102 VV

250,00 EURO

Gebühr 7002 VV

20,00 EURO

Umsatzsteuer 7008 VV

43,20 EURO

Summe:

313,20 EURO.

Im PKH-Festsetzungsverfahren wurde die ARGE zur angemessenen Gebührenhöhe angehört. Die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts Oldenburg setzte mit Beschluss vom 21.9.2005 die zu erstattenden Kosten wie folgt fest:

Verfahrensgebühr 3102 VV

150,00 EURO

Auslagenpauschale 7002 VV

20,00 EURO

Mehrwertsteuer 7008 VV

27,20 EURO

Gesamtsumme:

197,20 EURO.

Gegen diesen Beschluss legte die Erinnerungsführerin durch ihren Bevollmächtigten Erinnerung ein und nahm Bezug auf die Ausführungen in einem Parallelverfahren vor dem Sozialgericht Oldenburg. In diesem Verfahren hatte der Bevollmächtigte der Erinnerungsführerin die Auffassung vertreten, dass in Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Bedeutung der Angelegenheit angesichts der existenzsichernden Wirkungen von Leistungen nach dem SGB II und XII so herausragend sei, dass eine Mittelgebühr für diese Verfahren stets angemessen sei. Die Bedeutung sei insbesondere deswegen sehr hoch, weil die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Auftraggeber schlecht seien und diese auf Leistungen nach den vorgenannten Gesetzen existenzsichernd angewiesen seien. Nach der Kompensationstheorie des Landessozialgerichts Thüringen könne allein ein Kriterium, das nach § 14 RVG bei der Gebührenbemessung zu berücksichtigen sei, alle übrigen Kriterien nach § 14 RVG zurückdrängen, so dass wegen der überragenden Bedeutung des Verfahrens stets eine Mittelgebühr auf jeden Fall angemessen sei.

Die Antragsgegnerin hält die Gebührenfestsetzung für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die gem. § 56 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zulässige Erinnerung ist nicht begründet. Die Kostenfestsetzung durch die Urkundsbeamtin ist nicht zu beanstanden.

Die Höhe der Gebühr richtet sich auch im Falle der Festsetzung von PKH-Gebühren nach den §§ 3, 14 RVG. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das GKG nicht anwendbar ist, Betragsrahmengebühren. Diese bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

Eine solche Unbilligkeit liegt nach Auffassung des Gerichts hier vor, weil die vom Gericht als angemessen angesehene Gebühr durch die vom Bevollmächtigten des Erinnerungsführers angesetzte Gebühr um mehr als 20 v. H. überschritten wird.

Der Gebührenrahmen für die vom Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin geltend gemachten Gebühr ist auch im einstweiligen Rec...

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