Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. einstweiliges Rechtsschutzverfahren. Verfahrensgebühr. Anwendbarkeit des verminderten Gebührenrahmens der Nr 3103 RVG-VV

 

Orientierungssatz

Der Gebührentatbestand der Nr 3103 RVG-VV bezieht sich nicht nur auf solche Verwaltungs- bzw Widerspruchsverfahren, die einem Hauptsacheverfahren vorgelagert sind, sondern ist auch auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anwendbar. Wie im Hauptsacheverfahren setzt auch die einstweilige Anordnung nach § 86b Abs 2 SGG die fristgerechte Einlegung eines Widerspruchs gegen den ablehnenden Bescheid voraus. Der Rechtsanwalt "profitiert" insoweit regelmäßig sowohl im Klageverfahren als auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes von seiner Tätigkeit im Verwaltungsverfahren.

 

Gründe

Streitig ist die Höhe der aus der Landeskasse als Prozesskostenhilfe zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren.

Die zulässige Erinnerung ist zum Teil begründet.

Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für das erstinstanzliche Eilverfahren die Verfahrensgebühr nach Nr 3103 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zu § 3 Abs 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) an Stelle der beantragten Verfahrensgebühr nach Nr 3102 VV in Ansatz zu bringen.

Durch den geringeren Gebührenrahmen nach Nr 3103 VV RVG gegenüber Nr 3102 VV RVG wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Rechtsanwalt durch seine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im Vorverfahren mit der Materie bereits vertraut ist und deshalb die Vorbereitung des Gerichtsverfahrens für ihn weniger arbeitsaufwendig ist als für einen Rechtsanwalt, der erstmals mit der Materie befasst wird. Dies ergibt sich insbesondere aus der Begründung des Gesetzentwurfes zu Nr 3103 (BT-Drucks 15/1971, Seite 212). Der niedrigere Gebührenrahmen der Nr 3103 VV RVG ist auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gerechtfertigt. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts in sozialgerichtlichen Eilverfahren wird regelmäßig dadurch erleichtert, dass er in derselben Sache bereits im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren tätig geworden ist. Zwar gilt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein anderer Maßstab als im Hauptsacheverfahren. So genügt zum Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG, dass der Antragsteller das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes glaubhaft macht. Der Vortrag des Rechtsanwalts zur Begründung des Anordnungsanspruchs ist aber inhaltlich regelmäßig deckungsgleich mit der Widerspruchsbegründung. In beiden Fällen sind die Voraussetzungen für das Vorliegen des materiell-rechtlichen Anspruchs vorzutragen. Lediglich hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im Verhältnis zum Widerspruchsverfahren ein weiterer eigenständiger Vortrag notwendig. Aus den genannten Gründen ist es gerechtfertigt, sowohl im Klagverfahren als auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren von einem einheitlich reduzierten Gebührenrahmen auszugehen (ebenso ua SG Hannover, Beschluss vom 1. Dezember 2008 - S 34 SF 177/08; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25. August 2006 - L 8 B 31/05 SO; LSG Bayern, Beschluss vom 18. Januar 2007 - L 15 B 224/06 AS KO; SG Aurich, Beschluss vom 09. Mai 2006 - S 25 SF 20/05 AS; SG Stade, Beschluss vom 11. Juni 2009 - S 34 SF 97/08). Dies gilt auch in dem Fall, dass Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt und der Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zeitgleich erhoben werden, da durch die gleichzeitige Durchführung zweier Verfahren ebenfalls arbeitserleichternde Synergieeffekte entstehen (ebenso SG Hannover, Beschluss vom 2. Juli 2007 - S 34 SF 94/07; SG Aurich, Beschluss vom 18. April 2007 - S 21 SF 14/05 AS).

Das Gericht vermag sich dagegen der Auffassung, dass sich der Gebührentatbestand der Nr 3103 VV RVG nur auf solche Verwaltungs- bzw Widerspruchsverfahren beziehe, die einem Hauptsacheverfahren vorgelagert sind, nicht aber auf das Verfahren des vor-läufigen Rechtsschutzes anwendbar sei, nicht anzuschließen (so aber SG Oldenburg, Beschluss vom 15. August 2005, S 47 AS 169/05 ER). Wie im Hauptsacheverfahren setzt auch die einstweilige Anordnung nach § 86b Abs 2 SGG die fristgerechte Einlegung eines Widerspruchs gegen den ablehnenden Bescheid voraus, da es hier anderenfalls regelmäßig am Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Letztlich "profitiert" der Rechtsanwalt regelmäßig sowohl im Klageverfahren als auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von seiner Tätigkeit im Verwaltungsverfahren (vgl SG Aurich, Beschluss vom 09. Mai 2006, S 25 SF 20/05 AS), so dass die Zugrundelegung der verringerten Gebühr für beide Verfahrensarten gerechtfertigt ist.

Entgegen der Rechtsauffassung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist jedoch nicht lediglich eine Verfahrensgebühr in Höhe der 3/4-Mittelgebühr mit 127,50 EUR festzusetzen. Vorliegend ist die Festsetzung der Mittelgebühr als gerechtfertigt anzusehen.

Nach §§ 3, 14 RVG

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