Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Notwendigkeit der Kosten in einem Verfahren zur Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung. Beantragung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Beschlusses als Vollstreckungshandlung

 

Orientierungssatz

1. Allein die im Rahmen der Beantragung einer vollstreckbaren Ausfertigung einer nach § 86b SGG ergangenen einstweiligen Anordnung entstandenen Kosten können nicht als notwendige Aufwendungen eines Vollstreckungsverfahrens anerkannt werden, da diese Kosten noch zum Erkenntnisverfahren zählen.

2. Im Sozialgerichtlichen Verfahren bestimmen sich auch die Rechtsanwaltsgebühren im Vollstreckungsverfahren nach dem Betragsrahmen, nicht dem Gegenstandswert.

 

Gründe

Die zulässige Erinnerung vom 10. Januar 2011 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 20. Dezember 2010 bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Kosten der Zwangsvollstreckung sind zu Recht nicht berücksichtigt worden (nachfolgend zu 1.). Die gem. § 14 Abs. 1 S. 4 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) vorgenommene Herabsetzung der Kosten ist gleichfalls nicht zu beanstanden (nachfolgend zu 2.).

1. Die Kostenbeamtin hat zu Recht die Festsetzung von Kosten der Zwangsvollstreckung abgelehnt.

a) Es handelt sich schon nicht um notwendige Kosten. Nur solche können aber festgesetzt werden, § 192 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Zwar ist der Erinnerungsführerin zuzustimmen, dass es nahe lag, einen Vollstreckungsantrag zu stellen. Nachdem das Sozialgericht Neuruppin mit Beschluss vom 19. April 2010 den Erinnerungsgegner verpflichtet hatte, der Erinnerungsführerin näher bestimmte Leistungen zu gewähren, war die sich aus der einstweiligen Anordnung ergebende Vollstreckungsbefugnis von Gesetzes wegen auf einen Monat befristet, § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 929 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Dennoch weigerte sich der Erinnerungsgegner ausdrücklich, dem Beschluss des Sozialgerichts nachzukommen und kündigte zudem an, gegen den Beschluss Beschwerde zu erheben.

In dieser Situation war es aus Sicht der Erinnerungsführerin geradezu geboten, einen Vollstreckungsantrag zu stellen, und zwar gerade weil die Beschwerde im Raum stand. Ohne einen Vollstreckungsantrag, d. h. einen Antrag auf Zwangsgeldandrohung, hätte der Erinnerungsführerin eine Niederlage bei dem Landessozialgericht schon wegen des Ablaufs der Monatsfrist gedroht. Wird nämlich kein Vollstreckungsantrag gestellt, ist die einstweilige Anordnung ohne Sachprüfung allein deshalb aufzuheben, weil der Beschluss nicht mehr vollziehbar ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 7. November 2012 - L 23 SO 239/12 B ER - und vom 15. April 2011 - L 14 AS 218/11 B ER -; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. November 2012 - L 3 AS 447/12 B ER - ; OVG Magdeburg, in: NVwZ 2009, 855; BayVGH NVwZ-RR 2003, 699; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 86b Rn. 46).

Aber auch unabhängig von der Monatsfrist kann die Zwangsvollstreckung eingeleitet werden, wenn die Behörde nach Ablauf einer Erfüllungsfrist grundlos säumig ist. Da im einstweiligen Rechtschutz die Erfüllungsfrist wegen der Eilbedürftigkeit und wegen der obligatorischen weiteren Frist, die das Gericht in der Zwangsgeldandrohung setzt, knapp zu bemessen ist, hätte vorliegend jedenfalls drei Wochen nach der Zustellung des Beschlusses am 22. April 2010 ohne weiteres ein Vollstreckungsantrag gestellt werden können.

Die Kosten können gleichwohl nicht festgesetzt werden. Es handelt sich nicht um notwendige Aufwendungen. Nach der klaren und eindeutigen Gesetzeslage wird für die Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung eine vollstreckbare Ausfertigung gar nicht benötigt, § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 929 Abs. 1 ZPO (anders nur im seltenen und hier nicht gegebenen Fall titelübertragender, d. h. qualifizierter Klauseln, so ausdrücklich § 929 Abs. 1 ZPO). Die Erinnerungsführerin hat hier aber am 21. April 2010 ausschließlich um die Übersendung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Beschlusses gebeten und ausdrücklich mitgeteilt, es sei “beabsichtigt„ - und das heißt: erst für einen späteren Zeitpunkt -, einen Vollstreckungsantrag zu stellen, offensichtlich in der rechtsirrigen Annahme, erst nach Erteilung einer Vollstreckungsklausel könne die Vollstreckung eingeleitet werden. Auch am 12. Mai 2010 hat sie nur an die Übermittlung der vollstreckbaren Ausfertigung des Beschlusses erinnert, einen Antrag auf Zwangsgeldandrohung hingegen gerade nicht gestellt.

b) Unabhängig davon ist die Festsetzung der Kosten der Zwangsvollstreckung auch deshalb nicht möglich, weil die Erteilung einer Klausel, wenn sie denn erforderlich ist, kostenrechtlich noch zum Erkenntnisverfahren zählt; § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 RVG (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG 20. Aufl., VV Vorb. 3.3.3, 3309 Rn. 377).

c) Schließlich scheitert die Festsetzung an dem Fehlen einer weiteren Voraussetzung. Die Festsetzung von Vollstreckungskosten kann hier nur erfolgen, wenn zuvor der Rechtsanwal...

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