Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Vollziehungsfrist für einstweilige Anordnung. Anwendbarkeit von § 929 Abs 2 ZPO. Verfahren über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB 2

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Einmonatsfrist des § 929 Abs 2 ZPO gilt nach § 86b Abs 2 S 4 SGG auch für einstweilige Anordnungen im sozialgerichtlichen Verfahren bzgl der Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende.

2. Ist die einstweilige Anordnung nicht innerhalb eines Monats nach Fälligkeit der jeweiligen Leistung vollzogen oder ein Vollstreckungsantrag gestellt, ist der Beschluss insoweit wegen veränderter Umstände aufzuheben.

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 23.08.2012 insoweit aufgehoben, als der Antragsgegner zur Gewährung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 26.07. bis zum 30.09.2012 verpflichtet worden ist. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 23.08.2012 wird zurückgewiesen.

3. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die 1963 geborene Antragstellerin ist seit 2001 geschieden und hatte in der Vergangenheit Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner bezogen. Ab Januar 2009 war sie erwerbstätig und erhielt keine Leistungen mehr.

Am 16.04.2012 stellte sie erneut den Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit ab Ende ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld am 19.04.2012. Zu ihren Kosten für Unterkunft und Heizung gab sie an, für ihre 60 - 65 qm große Wohnung Nebenkosten in Höhe von 165,00 € monatlich und Heizkosten in Höhe von 181,00 € monatlich zu zahlen. Sie legte eine Mietbescheinigung der H K vom 19.04.2012 vor, in der eine Kaltmiete nicht angegeben wurde. Nach einer beigefügten Abrechnung der Nebenkosten für 2011 betrugen diese für die Wohnung der Antragstellerin insgesamt 4.149,94 €, davon 2.170,38 € Heizkosten einschließlich Warmwasser. Vorauszahlungen auf die Nebenkosten waren darin nicht vermerkt.

Die Wohnung der Antragstellerin befindet sich im Anwesen … in A , das aus einem Haupt- und Nebenhaus besteht. Laut Auskunft des Abfallwirtschaftsbetriebs an den Antragsgegner sind dort fünf Haushalte gemeldet, darunter ein gemeinsamer Haushalt der Antragstellerin und ihres geschiedenen Ehemanns C G . Nach dem Bericht über einen Hausbesuch des Außendienstes des Antragsgegners vom 23.05.2012 befinden sich an dem Anwesen fünf Klingeln, wovon drei mit den Namen "G ", "K " und "C . G " beschriftet sind. Auf den vorhandenen fünf Briefkästen finden sich entsprechende Angaben, wobei unter dem Namen "G " noch der Name "J B " genannt ist; auf zwei weiteren Briefkästen finden sich weitere Namen. Bei dem Hausbesuch gab die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner an, sie und ihr geschiedener Ehemann bewohnten jeweils eine eigene Wohnung in dem Komplex. Bei dem mit "J B " beschrifteten Briefkasten handele es sich um den ihres ehemaligen Ehegatten. B , der Lkw-Fahrer und oft unterwegs sei, habe eine Meldeanschrift in dessen Wohnung. Er sei nur selten zum Übernachten dort, ab und zu auch in ihrer Wohnung. Die Wohnung K sei die ihrer Eltern, die auch die Vermieter ihrer eigenen Wohnung seien. Miete zahle sie an diese nicht, da sie die Wohnung auf eigene Kosten renoviert habe und auch aktuell anfallende Reparaturen übernehme. Nebenkosten habe sie zuletzt im Januar 2012 bezahlt. Mit der Meldung der Müllgebühren an die Kreisverwaltung habe sie nichts zu tun, dies erledigten die Eltern.

Die Antragstellerin legte Kontoauszüge ihres Girokontos Nr. ... bei der S W für die Zeit ab dem 26.01.2012 bis zum 17.04.2012 vor, aus denen sich verschiedene Bareinzahlungen ergeben (100,00 € am 08.02.2012, 200,00 € am 05.03.2012, 200,00 und 300,00 € am 03.04.2012, 200,00 € am 12.04.2012). Auf Nachfrage des Antragsgegners legte sie weitere Kontoauszüge für die Zeit vom 18.04. bis 04.07.2012 vor. Aus diesen ergaben sich weitere Bareinzahlungen von 100,00 € am 23.04.2012, 700,00 € am 07.05.2012 und 500,00 € am 15.06.2012. Die Antragstellerin gab dazu an, dieses Geld habe sie sich geliehen. Ferner sind aus den Kontoauszügen diverse Zahlungseingänge mit Beträgen in unterschiedlicher, meist zweistelliger Höhe ersichtlich. Ein Zahlungseingang von 515,52 € am 25.04.2012 wurde von der Antragstellerin als ALG -Zahlung bezeichnet, ein solcher von 28,64 € als Zahlung von ALG für den 19.04.2012. Bei einer Zahlung vom selben Tag in Höhe von 1.197,00 € handele es sich um Krankengeld, was durch ein Schreiben der A W bestätigt wurde.

Mit Bescheid vom 30.05.2012 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen ab. Es habe nicht geklärt werden können, ob...

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