Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens. erfolglose Ausschreibung des Vertragsarztsitzes

 

Leitsatz (amtlich)

Ein (von Krankenkassen(verbänden) angefochtener) Bescheid, mit dem dem Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens gemäß § 103 Abs 3a SGB V stattgegeben wurde, erledigt sich nicht durch die erfolglose Ausschreibung des Vertragsarztsitzes.

 

Tenor

I. Der Beschluss vom 28.2.2018 (Bescheid vom 6.3.2018) wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, über den Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens für den Vertragsarztsitz der Beigeladenen zu 1. im Umfang eines vollen Versorgungsauftrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, jedoch nicht die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens streitig.

Die Beigeladene zu 1. (geb. 1952) ist seit 1998 als Allgemeinärztin zur vertragsärztlichen Versorgung mit vollem Versorgungsauftrag zugelassen und in dem Kurort B-Stadt niedergelassen. Sie verfügt über die Zusatzbezeichnungen Akupunktur, Balneologie und Medizinische Klimatologie sowie Naturheilverfahren. Am Kurarztvertrag nimmt sie seit dem 1.4.1987 teil.

Die Beigeladene zu 1. stellte am 31.1.2018 bei dem Beklagten einen Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens (Vollausschreibung). Voraussichtliches bzw. geplantes Beendigungsdatum sei der 31.12.2018, Beendigungsgründe seien "Rentenalter/Gesundheit". Als Praxisbesonderheit gab sie "Kurmedizin-Naturheilverfahren" an. Ein sog. privilegierter Nachfolger existiere nicht. Zugleich gab sie eine Verzichtserklärung ab, wonach sie auf ihre Zulassung unter der Bedingung verzichte, dass ein Nachfolger zur Fortführung ihrer ausgeschriebenen Praxis zugelassen sei.

Die Beigeladene zu 2. beantragte im Rahmen ihrer Stellungnahme, dem Antrag der Beigeladenen zu 1. auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens stattzugeben. Sie gab den Versorgungsgrad im Mittelbereich P-Stadt/R-Stadt mit 171,86 % an. Die Fallzahlen der Beigeladenen zu 1. hätten im Quartal 2/2016 306, im Quartal 3/2016 328, im Quartal 4/2016 167 und im Quartal 1/2017 142 betragen (durchschnittliche Fallzahl 236). Der Fachgruppendurchschnitt habe in diesen Quartalen bei 899 gelegen. Ein ausreichendes Praxissubstrat sowie die Versorgungsrelevanz der Praxis werde bejaht. Eine nähere Begründung hierzu erfolgte nicht.

Mit Beschluss vom 28.2.2018 (Bescheid vom 6.3.2018) gab der Beklagte dem Antrag der Beigeladenen zu 1. auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens für einen vollen Versorgungsauftrag für ihren Vertragsarztsitz statt. Eine Praxis könne nur dann von einem Nachfolger fortgeführt werden, wenn der ausscheidende Vertragsarzt zum Zeitpunkt der Beendigung seiner Zulassung tatsächlich unter einer bestimmten Anschrift in nennenswertem Umfang (noch) vertragsärztlich tätig gewesen sei. Die Beigeladene zu 1. stehe an ihrem Vertragsarztsitz persönlich mindestens 20 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die Beigeladene zu 1. ihren vertragsärztlichen Pflichten insgesamt nicht nachgekommen wäre oder dass die Praxis keinen eigentumsrechtlich relevanten materiellen und immateriellen Wert mehr ausweisen würde. Zwar lägen die Fallzahlen der Praxis der Beigeladenen zu 1. in den Quartalen 2/16-1/17 mit durchschnittlich 236 Patienten unter dem Fachgruppendurchschnitt (durchschnittlich 899 Fälle in den genannten Quartalen). Gleichwohl sei der Zulassungsausschuss zu der Auffassung gelangt, dass die für die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens maßgebliche Versorgungsrelevanz der Praxis zu bejahen sei. Wenn auch die Praxis unterdurchschnittliche Fallzahlen aufweise, könne nicht davon gesprochen werden, dass die Beigeladene zu 1. in nur geringfügigem oder vernachlässigbarem Umfang an der vertragsärztlichen Versorgung teilgenommen habe. Vielmehr sei die Praxis in einem für die Versorgung relevanten Umfang betrieben worden. Es lägen keine Gründe vor, die den Beklagten an der Entscheidung über die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens hinderten, § 103 Abs. 3a Sätze 2,3 SGB V. Dem Antrag sei stattzugeben, weil eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen erforderlich sei. Das Ermessen des Beklagten hinsichtlich der Ablehnung eines Antrags auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens sei erst dann eröffnet, wenn feststehe, dass eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich sei. Weder dem Wortlaut noch der Begründung des Gesetzes sei zu entnehmen, dass einem Arzt das grundrechtlich garantierte Verwertungsrecht an seiner ordnungsgemäß und erfolgreich betriebenen Praxis (auch) dann verweigert werden könne, wenn es in ihrem räumlichen Einzugsbereich andere, möglicherweise weniger erfolgreiche Praxen gebe, die noch ...

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