Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kinderwunschbehandlung. kein Anspruch auf Kryokonservierung imprägnierter Eizellen im Vorkernstadium. kein Leistungsanspruch bei Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz

 

Orientierungssatz

1. Es besteht kein Leistungsanspruch einer gesetzlich Versicherten auf die Kryokonservierung imprägnierter Eizellen im Vorkernstadium.

2. Ein Leistungsanspruch auf künstliche Befruchtung gemäß § 27a Abs 4 SGB 5 setzt voraus, dass die Behandlung nicht gegen das Embryonenschutzgesetz (ESchG) verstößt.

 

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 21.05.2021 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 24.11.2021 wird abgewiesen.

II. Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

III. Der Antrag auf Zulassung der Revision zum Bundessozialgericht wird abgelehnt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Erstattung der Kryokonservierung von imprägnierten Eizellen im Vorkernstadium.

Die 1990 geborene Klägerin ist bei der Beklagten versichert. Laut dem Befundbericht der M.-Stadt Klinik vom 16.03.2021 wurde bei der Klägerin ein invasives Mammakarzinom rechts festgestellt. Die Klägerin beantragte mit der E-Mail vom 24.03.2021 die Kryokonservierung von Eizellen. Hierzu fügte sie einen Kostenvoranschlag des Kinderwunschzentrums M1.-Stadt bei.

Am 30.03.2021 wurden der zu diesem Zeitpunkt nicht verheirateten Klägerin Eizellen entnommen. Es wurden 21 Eizellen gewonnen und nach Durchführung einer In-vitro- Fertilisation (IVF) 13 befruchtete Eizellen im Vorkernstadium kryokonserviert und eingelagert. Im Vorkernstadium ist das Spermium bereits in die Eizelle eingedrungen, jedoch sind die Zellkerne noch nicht verschmolzen.

Mit dem Bescheid vom 08.04.2021 erteilte die Beklagte die Kostenübernahme für die Vorbereitung und Durchführung der Kryokonservierung von unbefruchteten Eizellen. Die Klägerin übermittelte mit der E-Mail vom 09.05.2021 die Rechnungen vom 10.04., 15.04. und 21.04.2021. Insgesamt betrug die Rechnungssumme 4.253,05 Euro.

Mit dem Bescheid vom 21.05.2021 lehnte die Beklagte die Kostenerstattung ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass eine Kryokonservierung von Eizellen im Vorkernstadium durchgeführt worden sei. Daher seien die gesetzlichen Voraussetzungen einer Kostenübernahme nicht erfüllt. Die von der Klägerin eingereichten Unterlagen würden nicht der erfolgten Kostenzusage vom 08.04.2021 entsprechen.

Mit dem Schreiben vom 09.06.2021 erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass keine künstliche Befruchtung vorliege, da die Entwicklung der Eizelle zum Embryo und der Embryonentransfer fehlen würden. Zur Herbeiführung der Schwangerschaft würden beide Schritte erst nach der Kryokonservierung erfolgen. Nach dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) handele es sich erst nach dem Verschmelzen der beiden Vorkerne um einen Embryo; die früheren Entwicklungsstadien würden rechtlich als Eizellen behandelt. Ferner sei die Chance, dass die Eizellen den Prozess der Kryokonservierung überstehen, höher, wenn die Eizellen sich im Vorkernstadium befinden.

Laut dem Befundbericht des Kinderwunschzentrums M1.-Stadt vom 07.07.2021 hat sich die Klägerin erstmalig aufgrund einer Brustkrebserkrankung am 18.03.2021 dort vorgestellt. Es seien befruchtete Eizellen im Vorkernstadium eingefroren worden, da die Chance auf eine Schwangerschaft nach Kryokonservierung befruchteter Eizellen größer sei als nach dem Einfrieren unbefruchteter Eizellen. Aufgrund des engen Zeitfensters bis zum Beginn der Chemotherapie habe dieses Vorgehen bessere Chancen für eine spätere Schwangerschaft geboten.

Mit dem Bescheid vom 03.11.2021 lehnte die Beklagte die Kostenerstattung der erfolgten Kryokonservierung ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass ab Juli 2021 der Leistungsanspruch zur Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen bestehe und über die Gesundheitskarte abgerechnet werde. Sofern eine Kryokonservierung vom Arzt privat in Rechnung gestellt werde, müsse davon ausgegangen werden, dass die leistungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Abrechnung nicht gegeben seien.

Mit dem Widerspruchsbescheid vom 24.11.2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte die Klägerin aus, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes die Kryokonservierung dazu diene, spätere Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft vornehmen zu können. Daher habe die Beklagte eine Kostenzusage für die Kryokonservierung unbefruchteter Eizellen erteilt. Da jedoch Eizellen im Vorkernstadium für die Kryokonservierung genutzt worden seien, könne keine Kostenübernahme erfolgen.

Mit dem Schriftsatz vom 20.12.2021 hat die Klägerin die Klage erhoben. Sie verlangt die Erstattung der Kryokonservierung von imprägnierten Eizellen im Vorkernstadium.

Die Klägerin trägt vor, dass es nach dem Regelungszweck des § 27a SGB V nicht angezeigt sei, zwischen unbefruchteten und imprägnierten Eizellen zu differenzieren, vielmehr solle sichergestellt werden, dass Keimzellen kryokonserviert werden können, um den Erhalt der Fortpflanzungs...

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