Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. beigeordneter Rechtsanwalt. Verfahrensgebühr. Anrechnung mehrerer Geschäftsgebühren. Ermittlung des abstrakten Anrechnungsbetrags. Anwendung der BGH-Rechtsprechung. Anrechnung von Beratungshilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. In der Konstellation, dass vorgerichtlich mehrere Geschäftsgebühren, anschließend aber nur eine Verfahrensgebühr angefallen ist, bestimmt sich der abstrakte Anrechnungsbetrag gemäß § 15a Abs 1 RVG, indem alle entstandenen Geschäftsgebühren in der tatsächlichen Höhe anteilig auf die Verfahrensgebühr angerechnet werden.

2. Die hierzu ergangene Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 28.2.2017 - I ZB 55/16 = AGS 2017, 170) ist auch bei Betragsrahmengebühren anwendbar.

3. Beratungshilfe kann jedenfalls dann nicht angerechnet werden, wenn der Erinnerungsführer tatsächlich keine Zahlungen erhalten hat.

 

Tenor

Auf die Erinnerung wird die Vergütungsfestsetzung vom 15.01.2019 dahingehend abgeändert, dass die aus der Staatskasse an den Erinnerungsführer zu gewährende Vergütung für das Verfahren S 9 SO 16/18 antragsgemäß auf insgesamt 518,88 € festgesetzt wird.

Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Höhe der dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung für das Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Marburg unter dem Aktenzeichen S 9 SO 16/18. Dabei geht es mittlerweile nur noch um die Frage der Anrechnung zweier Geschäftsgebühren nach Nr. 2302 VV-RVG auf die Verfahrensgebühr.

Der damalige Kläger wurde sowohl im genannten Ausgangsverfahren als auch in den vorangegangenen Widerspruchsverfahren von dem Erinnerungsführer anwaltlich vertreten.

So legte dieser gegen den Bescheid vom 07.07.2017 und gegen den Bescheid vom 24.08.2017 Widerspruch ein. Die beiden Widerspruchsverfahren wurden mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2018 beendet. Anschließend erhob der Kläger Klage am Sozialgericht Marburg (Eingangsdatum: 01.03.2018) und beantragte zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers. Mit Beschluss des Gerichts vom 28.06.2018 wurde dem Prozesskostenhilfeantrag vollumfänglich stattgegeben.

In der Sache stritten die Beteiligten um eine monatliche Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 75,00 €. Das Verfahren erledigte sich durch Vergleichsschluss vom 31.10.2018 im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage, wobei der Beklagte 30 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers übernahm.

Anschließend beantragte der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 07.12.2018 die Gebühren und Auslagen aus der Staatskasse für das Ausgangsverfahren in Höhe von insgesamt 518,88 € festzusetzen.

Dabei stellte er die bereits angefallenen und erstatteten Gebühren sowie die beantragten Kosten wie folgt dar (Auszug aus dem Schriftsatz vom 07.12.20218):

Der Beklagte des Ausgangsverfahrens erstattete die außergerichtlichen Kosten antragsgemäß und überwies 531,95 €.

Am 15.01.2019 2019 nahm die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütungsfestsetzung für das Ausgangsverfahren vor. Sie wich von dem Festsetzungsantrag des Erinnerungsführers ab und setzte insgesamt einen Vergütungsanspruch in Höhe von 693,48 € fest und zahlte nach Abzug des Vorschusses einen Betrag von 373,48 € aus. Dabei rechnete sie bei der Bestimmung der Verfahrensgebühr die bereits erhaltenen außergerichtlichen Kosten im Vorverfahren in Höhe von 175,00 € an.

Mit Schriftsatz vom 05.03.2019 hat der Erinnerungsführer gegen die PKH-Festsetzung Erinnerung eingelegt. Gegen die Anrechnung der Vorverfahrensgebühren habe er keine Einwände. Allerdings seien die Vorverfahrensgebühren überhöht angerechnet worden. Als angemessene Geschäftsgebühren sei in den beiden Vorverfahren 345,00 € bzw. 200,00 € angesetzt worden. Von diesem Betrag hätte der Beklagte aber nur 30 % gezahlt, was einem Betrag von 162,50 € entspräche. Hiervon sei bei der Kostenberechnung für die Staatskasse 50 % (81,75 €) anzurechnen. 70 % der angefallenen Vorverfahrensgebühren habe er nicht abrechnen können, da sein Mandant beratungshilfeberechtigt gewesen sei und deshalb ein Anspruch gegen diesen nicht bestehen würde. Die abstrakte Beratungshilfeberechtigung führe nicht zu einer Anrechnung nach § 58 RVG, da keine tatsächlichen Zahlungen erfolgt seien. Zu der Festsetzung zweier Geschäftsgebühren nach Ziff. 2302 VV RVG werde darauf hingewiesen, dass zwei Vorverfahren zu unterschiedlichen Sachverhalten durchgeführt worden seien. In jedem der Verfahren sei eine Geschäftsgebühr angefallen, wobei im Verfahren zum Bescheid vom 24.08.2017 wegen Synergieeffekten eine herabgesetzte Geschäftsgebühr geltend gemacht worden sei. Der Beklagte hätte die Gebührenfestsetzung nicht beanstandet.

Die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß

die Vergütungsfestsetzung vom 15.01.2019 dahingehend abzuändern, dass die von der Staatskasse an den Erinne...

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