Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenrecht, Vergütungsfestsetzung Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf eine Verfahrensgebühr tritt bereits mit der Entstehung der betroffenen Gebühren ein; auf die Erfüllung der anwaltlichen Vergütungsforderung kommt es hierfür nicht an.

2. Gleichwohl können beide Gebühren in voller Höhe geltend gemacht werden, solange insgesamt nicht mehr als die um den Anrechnungsbetrag verringerte Summe verlangt wird.

3. Für die Vergütungsfestsetzung des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts gelten insoweit dieselben Regeln wie für den abgelösten Anspruch gegen den Auftraggeber.

4. Bis zum Erreichen der Kappungsgrenze wirkt sich der Zufluss einer Teilzahlung auf die Geschäftsgebühr nicht auf die Durchsetzung des Anspruchs auf die volle Verfahrensgebühr gegen die Staatskasse aus.

 

Tenor

Auf die Erinnerung wird die Vergütungsfestsetzung vom 23. Mai 2017 dahingehend abgeändert, dass die aus der Staatskasse an den Erinnerungsführer zu gewährende Vergütung für das Verfahren S 13 AS 417/15 auf insgesamt 1.142,40 € festgesetzt wird.

Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Höhe der dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung für das Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Marburg unter dem Aktenzeichen S 13 AS 417/15. Im Streit steht die Frage, inwieweit die Geschäftsgebühr für das Vorverfahren auf die Verfahrensgebühr für das Klageverfahren anzurechnen ist.

In dem genannten Ausgangsverfahren wurden die damaligen Kläger von dem Erinnerungsführer anwaltlich vertreten. Mit der Klageschrift vom 16. November 2015 beantragten sie zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers. Mit Beschluss des Gerichts vom 18. April 2017 wurde dem Prozesskostenhilfeantrag vollumfänglich stattgegeben. In der Sache wurde der Rechtsstreit an diesem Tag während eines Erörterungstermins des Kammervorsitzenden mit den Beteiligten durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs beigelegt. Darin verpflichtete sich der Beklagte des Ausgangsverfahrens u.a., den damaligen Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.

Am 20. April 2017 beantragten die Kläger des Ausgangsverfahrens, die Höhe der ihnen vom Beklagten für das vorangegangene Widerspruchsverfahren zu erstattenden Kosten durch gerichtlichen Beschluss festzusetzen. Dabei machten sie folgende Positionen (nebst Zinsen) geltend:

Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2302 VV RVG =

300,00 € ,

Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG =

180,00 €,

Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG =

20,00 €,

19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG =

95,00 €,

Zwischensumme:

595,00 €,

davon 50 % =

297,50 €.

Daraufhin erklärte der Beklagte des Ausgangsverfahrens, er werde diese Kosten antragsgemäß erstatten.

Mit Formschreiben vom 20. April 2017 beantragte der Erinnerungsführer, Gebühren und Auslagen aus der Staatskasse für das Ausgangsverfahren in Höhe von insgesamt 1.142,40 € festzusetzen. Im Einzelnen machte er folgende Positionen geltend:

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG =

225,00 € (nach Anrechnung der von dem Beklagten geforderten Geschäftsgebühr (50 % von 300,00 €) zu 50 %,

Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG =

135,00 €,

Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG =

280,00 €,

Einigungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV RVG =

300,00 €,

Post- und Telekommunikationsentgeltpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG =

20,00 €,

19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG =

182,40 €.

Am 23. Mai 2017 nahm die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütungsfestsetzung für das Ausgangsverfahren vor. Dabei wich sie von dem Festsetzungsantrag des Erinnerungsführers ab und setzte insgesamt einen Vergütungsanspruch in Höhe von 1.106,70 € fest. Zur Begründung vertrat sie die Ansicht, die entstandene Geschäftsgebühr von 300,00 € sei zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, so das von dieser nicht nur 75,00 €, sondern 150,00 € abzuziehen seien. Dagegen sei die Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG von der ungekürzten Verfahrensgebühr ausgehend zu berechnen. Demnach ergebe sich folgende Vergütungsfestsetzung:

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG =

150,00 € (nach Anrechnung der entstandenen Geschäftsgebühr (300,00 €) zu 50 %,

Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG =

180,00 €,

Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG =

280,00 €,

Einigungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV RVG =

300,00 €,

Post- und Telekommunikationsentgeltpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG =

20,00 €,

19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG =

176,70 €.

Am 22. Juni 2017 hat der Erinnerungsführer gegen die Vergütungsfestsetzung vom 23. Mai 2017 Erinnerung eingelegt. Er ist der Ansicht, die Anrechnung einer fiktiven Geschäftsgebühr, die er tatsächlich nicht erhalten habe, sei rechtswidrig. Zu berücksichtigen sei lediglich der von dem Beklagten des Ausgangsverfahrens tatsächlich gezahlte Anteil in Höhe von 150,00 €. Ein anderes Ergebnis werde dem Wa...

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