Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. freie Verpflegung bei stationärer Unterbringung. keine Kürzung der Regelleistung. keine Einkommensberücksichtigung

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Dauer eines Krankenhausaufenthaltes darf die Regelleistung nach dem SGB 2 nicht mit der Begründung abgesenkt werden, dass im Krankenhaus eine kostenfreie Verpflegung zur Verfügung gestellt wird.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 28.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2006 wird hinsichtlich der Leistungsabsenkung aufgehoben.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte die Regelleistung für den 40jährigen Kläger ab dem 07.09.2006 täglich um 4,37 € kürzen durfte.

Der Kläger bezieht schon seit längerem Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (Sozialgesetzbuch II - SGB II).

Zuletzt ist dem Kläger mit dem Bescheid vom 14.06.2006 für die Monate September bis Dezember 2006 ein monatlicher Betrag von 510,00 € zuerkannt worden. Dieser umfasste neben den Unterkunftskosten auch die Regelleistung in Höhe von 345,00 €.

Ab dem 10.08.2006 befand sich der Kläger zur stationären Behandlung im Kreiskrankenhaus Hardheim (Alkoholentgiftung) und wurde sodann für ein 16wöchiges Rehabilitationsverfahren im Zuständigkeitsbereich des Rentenversicherungsträgers von der Reha-Klinik Kraichtal übernommen.

Mit dem Bescheid vom 28.08.2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ab dem 29. Tag der stationären Behandlung (= 07.09.2006) die Regelleistung um täglich 4,37 € gekürzt wird, da im Krankenhaus bzw. der Reha-Klinik kostenfreie Verpflegung zur Verfügung steht.

Hiergegen erhob der Kläger am 26.09.2006 Widerspruch und trug vor, eine Rechtsgrundlage für die Kürzung sei nicht ersichtlich. Die (kostenfreie) Verpflegung könne allenfalls als Sacheinkommen gewertet werden. Jedoch habe sie keinen Marktwert.

In ihrem Widerspruchsbescheid vom 08.11.2006 bekräftigte die Beklagte nochmals, dass dem Kläger im Rahmen der vom Rentenversicherungsträger geförderten Rehabilitationsmaßnahme auch eine kostenfreie Verpflegung zur Verfügung gestellt wird. Nach den Gesetzesmaterialien umfasse die Regelleistung jedoch einen Verpflegungsanteil von 38 %, so dass es gerechtfertigt ist, für die Dauer der stationären Behandlung den Bedarf täglich um 4,37 € bzw. monatlich um 131,10 € zu kürzen.

Am 20.11.2006 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht erhoben und vertritt nach wie vor die Auffassung, dass die Kürzung der Regelleistung rechtswidrig ist.

Somit beantragt er,

den Bescheid vom 28.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2006 hinsichtlich der Leistungskürzung aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie geht nach wie vor davon aus, dass der Verpflegungsbedarf des Klägers für die Dauer des stationären Aufenthaltes auf andere Art und Weise gesichert ist, so dass sie berechtigt ist, den diesbezüglichen Bedarf von der Regelleistung abzusetzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die dem Gericht vorliegende Verwaltungsakte der Beklagten und auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Das Gericht geht davon aus, dass die Beklagte nicht berechtigt war, die Regelleistung des Klägers wegen der stationären Behandlung bzw. der im Krankenhaus kostenfrei zur Verfügung gestellten Verpflegung abzusenken.

Diese Einschätzung beruht auf folgenden Überlegungen:

Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes umfasst nach § 20 Abs. 1 SGB II insbesondere die Ernährung, Kleidung, Körperpflege, den Hausrat, die Haushaltsenergie, die Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch die Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Hierfür erhalten die Hilfebedürftigen nach § 20 Abs. 2 SGB II eine monatliche Pauschale in Höhe von 345,00 €.

Somit weisen der Kläger bzw. seine Bevollmächtigte zu Recht darauf hin, dass dem SGB II eine Pauschalierung der Regelleistung zugrunde liegt. Hierdurch werden im Interesse einer Gleichbehandlung der Hilfebedürftigen und auch zur Verwaltungsvereinfachung die Besonderheiten des Einzelfalles weitgehend außer Acht gelassen und allen Hilfebedürftigen ein fester monatlicher Pauschalbetrag zur Verfügung gestellt (zu den hierbei auftretenden Zielkonflikten Münder, SGB II, 2. Auflage 2007, § 20 Rn. 11). Nur in eng umrissenen Ausnahmefällen (Mehrbedarfe nach § 21 SGB II bzw. Sonderleistungen nach § 23 SGB II) kann demnach eine sich an den Verhältnissen des Einzelfalles orientierende zusätzliche Leistung erbracht werden. Ansonsten können Hilfebedürftige auch dann keine höheren Leistungen erhalten, wenn im konkreten Einzelfall ein zusätzlicher, in der Regelleistung nicht enthaltener Bedarf anfällt oder wenn ausnahmsweise ein in der Regelleistung enthaltener Bedarf in größerer Höhe entsteht. Umgekehrt folgt hieraus aber auch, dass der Leistungsträger nicht berechtigt ist, die Leistung abzusenk...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge