Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Versicherungspflicht. selbständig tätiger Logopäde. Pflegeperson iS des § 2 S 1 Nr 2 SGB 6. eigene Gestaltungsmöglichkeit. Abhängigkeit. ärztliche Verordnung

 

Orientierungssatz

1. Das gesetzlich vorgesehene und durch die Heilmittel-Richtlinien sowie Gemeinsame Rahmenempfehlungen konkretisierte Subordinationsverhältnis zwischen Ärzten und Heilmittelerbringern (hier Logopäden) lässt für die Heilmittelerbringer durchaus Spielraum für eigene Gestaltungsmöglichkeiten zu. Diese Gestaltungsmöglichkeiten ändern allerdings nichts an der grundsätzlichen Abhängigkeit des Logopäden von der Verordnung des Arztes. Selbst dann, wenn der Heilmittelerbringer eine vom Arzt abweichende Ansicht hinsichtlich der Behandlung vertritt, kann er diese nur mit Zustimmung des Arztes verwirklichen (vgl BSG vom 11.11.2003 - B 12 RA 2/03 R und vom 04.06.1998 - B 12 KR 9/97 R = SozR 3-2600 § 2 Nr 3).

2. Insofern ergibt sich die die Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 2 SGB 6 als Pflegeperson in der Krankenpflege auslösende Abhängigkeit hier nicht im Sinne einer Weisungsabhängigkeit von einem Arbeitgeber, sondern aus der Abhängigkeit von einem Heilkundigen betreffend dessen Vorgaben, dh in diesem Falle aufgrund der Ausübung der Tätigkeit als Logopäde in Abhängigkeit von ärztlichen Verordnungen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.07.2015; Aktenzeichen B 5 RE 17/14 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht der Klägerin in der Rentenversicherung.

Die ... 1972 geborene Klägerin betreibt ab dem 02.05.2012 eine Praxis für Logopädie. Dies teilte sie am 13.04.2012 der Beklagten mit und beantragte die Prüfung ihrer Rentenversicherungspflicht in dieser Tätigkeit. In dem Formbogen der Beklagten gab die Klägerin an, dass sie alle Stimm-, Sprach- und Sprechstörungen diagnostiziere, therapiere und hierzu berate. Sie führe Lerntherapie bei einer Lese-Rechtschreibschwäche, Dyskalkulie etc. durch. Die Therapie erfolge auf Verordnung durch Ärzte. Die Abrechnung finde über die Kassenverbände statt. Sie arbeite 35 bis 40 Stunden wöchentlich. Die Zulassung als Logopädin ist der Klägerin ab dem 02.05.2012 erteilt worden.

Mit Zwischenmitteilung vom 07.09.2012 wies die Beklagte daraufhin, dass ab dem 01.04.2012 für die selbstständig tätigen Logopäden eine Änderung der Rechtsauffassung hinsichtlich der Versicherungs- und Beitragspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch/Rentenversicherung (SGB VI) in Kraft trete. Selbstständig tätige Logopäden seien bisher nicht als versicherungspflichtig angesehen worden. Sie seien als Heilmittelerbringer tätig. Sie könnten zwar den Inhalt ihrer Therapien selbst bestimmen und die Auswahl der Therapiemittel in eigener Verantwortung vornehmen. Dennoch müsse der Behandlungsplan auf der ärztlichen Diagnose und dem gegebenen Behandlungsziel aufgebaut werden. Den Logopäden obliege also ein Teil der Durchführung einer vom Heilkundigen gelenkten Gesamtbehandlung von kranken Menschen. Sofern daher im Zusammenhang mit der selbstständigen Tätigkeit regelmäßig kein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer beschäftigt werde, unterliege sie der Versicherungspflicht. Da die Klägerin ihre selbstständige Tätigkeit nach dem 31.03.2012 aufgenommen habe, bestehe kein Vertrauensschutz, so dass auch in ihrem Falle Versicherungspflicht eintrete.

Bereits gegen dieses Informationsschreiben legte die Klägerin am 25.09.2012 Widerspruch ein und legte hierzu eine Stellungnahme des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie e.V. vor. Ausweislich dieser Stellungnahme widerspreche die geänderte Rechtsauffassung der Beklagten der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Danach seien Logopäden im Gegensatz zu Physiotherapeuten nicht unter den Begriff der Pflegepersonen nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI zu subsummieren, weil Unterschiede in den Berufsbildern existierten. Denn im Gegensatz zu Physiotherapeuten würden Logopäden derzeit noch im Rahmen ihrer Tätigkeit selbst eine Diagnose und einen Behandlungsplan erstellen dürfen. Ihre Versicherungspflicht in der Rentenversicherung scheide daher nach wie vor aus. Der Deutsche Bundesverband für Logopädie e.V. zitierte hierzu die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 30.01.1997 (12 RK 31/96) und vom 12.01.2007 (B 12 R 14/06 R) sowie eine Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27.06.2006 (L 12 R 4151/05).

Unter dem 01.10.2012 stellte die Beklagte durch förmlichen Bescheid die Versicherungspflicht der Klägerin ab dem 02.05.2012 auf Grundlage des § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI fest. Ab diesem Zeitpunkt seien Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung in Höhe des halben Regelbeitrags zu zahlen. Die Berechtigung zur Zahlung des halben Regelbeitrags bestehe längstens bis zum 31.12.2015.

Am 17.10.2012 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und bezog sich wiederum auf die bereits vorliegende Stellungnahme des Deutschen Bun...

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