Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Versicherungspflicht einer selbstständig tätigen Physiotherapeutin. Begriff der Krankenpflege in § 2 S 1 Nr 2 SGB 6. keine Vergleichbarkeit mit einem Logopäden. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Der Begriff der Krankenpflege in § 2 S 1 Nr 2 SGB 6 ist in Abhängigkeit von der Weisungsgebundenheit an (ärztliche) Verordnungen weit zu verstehen und kann in Anlehnung an § 27 SGB 5 als Tätigwerden zur Heilung einer Krankheit, zur Verhütung ihrer Verschlimmerung oder zur Linderung der Krankheitsbeschwerden definiert werden. Der Bezug zu einer Krankheit schließt eine andere Pflege oder Betreuung, etwa wegen des Alters aus. Die Pflegepersonen müssen im Stande sein, ärztliche Verordnungen in der Krankenpflege eigenständig umzusetzen. So gehören zu den typischen Pflegepersonen, die selbständig tätig sein können, die Krankenschwestern, Krankenpfleger, Altenpfleger, Masseure, medizinische Bademeister, Krankengymnasten/Physiotherapeuten, Ergotherapeuten/Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten und Orthoptisten.

2. Zwischen Physiotherapeuten und Logopäden bestehen Unterschiede, die eine ungleiche Behandlung dieser Berufsgruppen in Hinblick auf die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung rechtfertigen. Darin liegt kein Verstoß gegen das in Art 3 GG verankerte Gebot der Gleichbehandlung.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.01.2007; Aktenzeichen B 12 R 14/06 B)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin ab 07.01.1997 versicherungspflichtig in der Rentenversicherung als selbständige Physiotherapeutin war.

Die 1942 geborene Klägerin hat seit 15.05.1964 die Erlaubnis als Krankengymnastin tätig zu sein. Sie beantragte im Januar 1998 die Feststellung von Kindererziehungszeiten. Weiter stellte sie am 05.01.1998 einen Antrag auf Beitragszahlung zur Angestelltenversicherung und gab an, sie sei ab 01.01.1996 als Krankengymnastin auf Hausbesuch tätig. Der erste freiwillige Beitrag solle für Februar 1997 gezahlt werden. Bis Dezember 1996 seien Beiträge entrichtet worden. Die Beklagte fragte daraufhin bei der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) H. mit Schreiben vom 20.01.1998 an, ob die Klägerin versicherungspflichtig zur Rentenversicherung sei. Dies wurde mit Schreiben vom 20.02.1998 der DAK H beantwortet und ausgeführt, die Klägerin sei ab 07.01.1997 nicht zur Rentenversicherung der Angestellten und Arbeiter gemeldet. Auf Anforderung der Beklagten legte die Klägerin einen Bescheid des Finanzamts Freiburg - Stadt vom 30.12.1997 betreffend das Jahr 1996 vor, wonach die Klägerin 43.269,--DM aus nichtselbständiger Arbeit erzielt hat. Mit Schreiben vom 21.08.1998 erklärte die Klägerin, als freiberufliche Krankengymnastin behandele sie ausschließlich auf ärztliche Verordnung. Diese Behandlungen würden von der Zentralstelle abgerechnet. Ihre Bezahlung erfolge auf Honorarbasis. Eine Kassenzulassung als Krankengymnastin sei in Niedersachsen vorhanden. Hier habe sie von 1974 bis 1975 eine eigene Praxis betrieben.

Mit Schreiben vom 27.08.1998 teilte die Beklagte der Klägerin mit, aufgrund ihrer Tätigkeit als Krankengymnastin unterliege sie ab 01.01.1996 der Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VI. Es werde um Mitteilung gebeten, wie die Pflichtbeiträge gezahlt werden sollten. Eine Zahlung von freiwilligen Beiträgen sei nicht zulässig. Mit Schreiben vom 10.11.1998 wurde mitgeteilt, entgegen dem Schreiben vom 27.08.1998 unterliege die Klägerin erst ab 07.01.1997 der Versicherungspflicht. Die Klägerin wurde um Mitteilung gebeten, in welcher Höhe sie Pflichtbeiträge entrichten wolle.

Mit Bescheid vom 29.03.1999 wurde ausgeführt, die Klägerin sei ab Januar 1997 (Teilmonat) nach § 2 Nr. 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig. Versicherungspflichtige Selbständige zahlten grundsätzlich den Regelbeitrag, der einem Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße entspreche. Die Klägerin habe Monatsbeiträge von DM 859,95 ab Januar 1997 zu entrichten.

Dagegen legte der damalige Vertreter der Klägerin mit Schreiben vom 23.04.1999 Widerspruch ein und gab an, die Beklagte hätte die Klägerin auffordern müssen, die Höhe ihrer freiwilligen Versicherungsbeiträge zu bestimmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.1999 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Klägerin unterliege als Krankengymnastin ab 07.01.1997 der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung. Zu den selbständig tätigen Pflegepersonen, die Krankenpflege im weiteren Sinne ausübten, gehörten auch Angehörige von Heilhilfsberufen, bei denen sich pflegerische und therapeutische Betreuung überschnitten. Dies sei insbesondere bei Masseuren, medizinischen Bademeistern sowie Physiotherapeuten/Krankengymnasten und Ergotherapeuten/Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten der Fall, sofern diese Personenkreise überwiegend aufgrund ärztlicher An- und Verordnung tätig würden.

Dagegen erhob der Klägervertreter mit Schreiben vom 14.01.2000, das am 17.01.2000 bei dem Sozialgericht Freiburg einging, Klage. Es wur...

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