Entscheidungsstichwort (Thema)

Bildung des Gesamtgrades der Behinderung im Schwerbehindertenrecht

 

Orientierungssatz

1. Menschen sind nach § 2 Abs. 2 SGB 9 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von 50 vorliegt.

2. Eine mittelgradige Depression mit somatoformer Schmerzstörung ist mit einem Teil-GdB von 40 zu bewerten.

3- Weitere Funktionsbeeinträchtigungen, die jeweils mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten sind, bewirken keinen höheren Gesamtgrad der Behinderung.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 23.02.2022; Aktenzeichen B 9 SB 74/21 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Grad der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) streitig.

Die am … geborene Klägerin stellte am 24.07.2017 beim Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis (LRA) den Antrag, ihre Gesundheitsstörungen als Behinderung sowie deren Grad festzustellen. Das LRA stellte daraufhin mit Bescheid vom 27.12.2017, gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme der Dr. Kling unter anderem unter Berücksichtigung des Entlassungsberichts der Rehaklinik Kandertal vom 05.05.2017, einen GdB von 30 seit dem 24.07.2017 unter Berücksichtigung folgender Funktionsbeeinträchtigungen fest:

o Depression

Teil-GdB 30

o Ohrgeräusche (Tinnitus)

Teil-GdB 10

o Gebrauchseinschränkung beider Füße

Teil-GdB 10.

Dem hiergegen von der Klägerin am 26.01.2018 erhobenen Widerspruch half das LRA - gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme der Dr. … - teilweise ab, indem es mit Teil-Abhilfebescheid vom 28.06.2018 einen GdB von 40 seit dem 24.07.2017 unter Berücksichtigung folgender Funktionsbeeinträchtigungen feststellte:

o Depression, Funktionelle Organbeschwerden, Chronisches Schmerzsyndrom, Schwindel

Teil-GdB 40

o Ohrgeräusche (Tinnitus)

Teil-GdB 10

o Gebrauchseinschränkung beider Füße

Teil-GdB 10.

o Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom

Teil-GdB 10.

Den weitergehenden Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2018 zurück. Zugrunde lag dem eine weitere versorgungsärztliche Stellungnahme der Dr. Maier.

Dagegen hat die Klägerin am 13.11.2018 Klage zum Sozialgericht Mannheim erhoben und begehrt die Feststellung eines GdB von zunächst 50 und sodann 60 im Wesentlichen mit der Begründung, der Beklagte habe ihre Leiden nicht ausreichend berücksichtigt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher sachverständiger Zeugenauskünfte des psychologischen Psychotherapeuten Dr. Dipl.-Psych. …, des Arztes für Neurologie und Psychiatrie … des Facharztes für Innere Medizin Dr. …, des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. …, des Facharztes für Chirurgie Dr. … und der Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. … .

Sodann hat im Auftrag des Gerichts von Amts wegen der Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. … das medizinische Sachverständigengutachten vom 13.12.2019 aufgrund einer Untersuchung am 10.12.2019 erstattet und seinem Gutachten unter anderem den Arztbrief des Universitätsklinikums Heidelberg vom 30.09.2019 beigelegt.

Die Klägerin beantragt - teilweise sachdienlich gefasst -,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 27.12.2017 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheids vom 28.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2018 zu verpflichten, bei ihr einen Grad der Behinderung von mindestens 50 und ihre Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er erachtet den angefochtenen Bescheid, zuletzt gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. …, für zutreffend.

Das Gericht hat die Beteiligten hinsichtlich einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ein Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines höheren GdB als 40 ist nicht zu begründen. Hierüber konnte das Gericht nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

1. Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX (vgl. auch § 69 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung) stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest. Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein Grad der Behinderung oder gesundheitliche Merkmale bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, wenn dafür ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird (vgl. § 152 Abs. 1 Sa...

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