Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgeldanspruch der Kinder während des Aufenthalts in der temporären Bedarfsgemeinschaft mit dem getrennt lebenden Elternteil. Unterschreitung der 12-Stunden-Grenze durch Kindergarten- bzw Schulbesuch. keine Berücksichtigung des nicht weitergeleiteten Einkommens der Kinder

 

Orientierungssatz

1. Während den Zeiten, in denen sich die minderjährigen Kinder in Wahrnehmung ihres Umgangsrechts im Haushalt des getrennt lebenden, ebenfalls hilfebedürftigen Elternteils aufhalten, besteht mit diesem eine sog temporäre Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 SGB 2 (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R = BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1 und vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 13). Während dieser Zeit ist als Bedarf der Kinder für jeden Aufenthaltstag 1/30 der für sie maßgeblichen Regelleistung zu berücksichtigen. An Tagen, in denen sich ein Kind aufgrund Kindergarten- oder Schulbesuchs weniger als 12 Stunden in der temporären Bedarfsgemeinschaft aufhält, ist darauf abzustellen, bei welchem Elternteil sich das Kind an diesem Tag länger aufhält.

2. Sozialleistungen, die als Einkommen den Kindern zuzurechnen sind, aber von dem Elternteil anteilig für die Aufenthaltstage in der temporären Bedarfsgemeinschaft nicht an den umgangsberechtigten anderen Elternteil weitergeleitet werden, stehen den Kindern zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht zur Verfügung und sind daher nicht als Einkommen der Kinder auf den anteiligen Sozialgeldanspruch anzurechnen.

 

Tenor

1. Der Änderungsbescheid vom 02.06.2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 08.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.08.2007 und in der Fassung des Änderungsbescheids vom 09.10.2007 wird abgeändert und der Beklagte wird verurteilt den Klägern weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 346,50 € für den Monat Juli 2007, in Höhe von 27,72 € für den Monat August 2007 und in Höhe von 138,60 € für den Monat September 2007 zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 3/4 zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klage ist zuletzt noch auf die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch [SGB II] für den Zeitraum 01.07.2007 bis 30.09.2007 unter Berücksichtigung einer temporären Bedarfsgemeinschaft gerichtet.

Die ... 1976 geborene Klägerin zu 1) und der ... 1973 geborene Kläger zu 2) sind Partner in einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft. Sie stehen seit Jahren bei dem Beklagten im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die am ... 2001 geborene Klägerin zu 3) und die am ... 1998 geborene Klägerin zu 4) sind die Kinder der Klägerin zu 1) und entstammen deren geschiedener Ehe mit Herr A. G.. Die Klägerinnen zu 3) und zu 4) leben überwiegend bei ihrem Vater, halten sich aber im Rahmen der zwischen den geschiedenen Ehegatten vereinbarten Umgangsregelung auch regelmäßig bei den Klägern zu 1) und zu 2) auf.

Mit Änderungsbescheid vom 02.06.2007 bewilligte der Beklagte den Klägern zu 1) und zu 2) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 01.07.2007 bis 30.09.2007 in Höhe von monatlich insgesamt 839,20 €. Bei der Festsetzung hatte der Beklagte die Regelleistungen der Kläger zu 1) und zu 2) von jeweils 312 € sowie die tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten von 455,20 € als Bedarf berücksichtigt; anspruchsmindernd hatte er das um die gesetzlichen Absetzbeträge bereinigte Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1) von 240 € angesetzt. Leistungen für die Klägerinnen zu 3) und zu 4) wurden nicht bewilligt.

Hiergegen legten die Kläger am 02.07.2007 Widerspruch ein. Sie machten geltend, der Beklagte habe den Klägerinnen zu 3) und zu 4) für die Zeiten, in denen sie sich im Haushalt der Kläger zu 1) und zu 2) aufhielten, Grundsicherungsleistungen zu erbringen. Dem Widerspruch war ein Schreiben von Herrn G. beigefügt, in dem dieser erklärte, für die Zeiten des Aufenthaltes der Kinder bei seiner geschiedenen Ehefrau nicht zur Zahlung von Unterhalt bereit zu sein, da hierfür keine rechtliche Verpflichtung bestehe.

Mit Änderungsbescheid vom 08.08.2007 setzte der Beklagte die Grundsicherungsleistungen der Kläger zu 1) und zu 2) für den Monat September 2007 vorläufig neu auf insgesamt 751,20 € fest; hierbei hatte sie das neu hinzugekommene Erwerbseinkommen des Klägers zu 2) in Höhe von vorläufig 88 € angesetzt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2007 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Zur Begründung war angegeben, für die Klägerinnen zu 3) und zu 4) seien auch nach den Grundsätzen über die temporäre Bedarfsgemeinschaft keine Grundsicherungsleistungen zu gewähren. Aus zuvor beim Sozialgericht Mainz geführten Eilverfahren (Az.: S 7 ER 79/07 AS und S 7 ER 124/07 AS) sei bekannt, dass für die Klägerinnen zu 3) und zu 4) Kindergeld und Unterhaltsvorschuss in Höhe von jeweils insgesamt 324 € gezahlt werde. Die Klägerinnen zu 3) und zu 4) verfügten daher über ausreichende finanzielle Mitte...

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