Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht zur Verwertung einer abgeschlossenen Lebensversicherung bei beantragten Leistungen der Grundsicherung

 

Orientierungssatz

1. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB 2, wer seinen Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten kann. Hierbei ist verwertbares Vermögen oberhalb der des zustehenden Grundfreibetrags nach §§ 11 Abs. 1, 12 Abs. 2 SGB 2 zu berücksichtigen.

2. Unterliegt vorhandenes Vermögen keinen Verfügungsbeschränkungen, so ist es verwertbar. Hat der Hilfebedürftige eine Lebensversicherung subjektiv für seine Altersvorsorge abgeschlossen, hierbei mit dem Versicherungsunternehmen keine unwiderrufliche vertragliche Vereinbarung hinsichtlich eines Verwertungsausschlusses i. S. von § 168 Abs. 3 S. 1 VVG getroffen, so führt dies nicht zu einer den Grundfreibetrag übersteigenden Freigrenze.

3. Bei der Entscheidung über die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers ist der Rückkaufwert der abgeschlossenen Lebensversicherung als verwertbares Vermögen zu berücksichtigen.

4. Vorhandenes Vermögen bzw. Einkommen des Antragstellers ist zunächst zur Deckung des eigenen Bedarfs einzusetzen, bevor bestehende Verbindlichkeiten erfüllt werden. Das gilt auch dann, wenn sich der Hilfebedürftige subjektiv berechtigt in besonderer Weise zur Schuldentilgung verpflichtet fühlt.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte dem Kläger Leistungen ohne Vermögensanrechnung zu gewähren hat.

Der im Jahr 1976 geborene Kläger ist gelernter Einzelhandelskaufmann und hat zusätzlich eine Ausbildung zum Finanzmanager absolviert.

Am 25.05.2007 hatte er bei dem Beklagten zum ersten Mal die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (= SGB II) beantragt. Dabei hatte er auch angegeben, mehrere Versicherungen abgeschlossen zu haben, u. a. bei der H., bei der I. und bei der J. Versicherung. Seinerzeit wurde eine Leistungsgewährung für die Monate Mai und Juli 2007 aufgrund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers abgelehnt (Bescheid vom 02.08.2007 - Bl. 67 der Akte des Beklagten ≪= VA≫). Die Gewährung für die Monate September und Oktober 2007 wurde nachträglich aufgrund der Einkommensverhältnisse aufgehoben und für die Zeit danach abgelehnt (Bescheide vom 06.11.2007 und vom 14 11.2007, Bl. 102 und 113 VA).

Unter dem 15.03.2009 schlossen der Kläger und sein Bruder, der Zeuge K., folgende Vereinbarung:

Zinsloses Privatdarlehen

Vertragsgeber:     L.

M.

und

Vertragsnehmer:  N.

O.

P.

Darlehenssumme: Euro 10.000.-

Hiermit wird zwischen den Vertragsparteien folgendes zinsloses Privatdarlehen geschlossen. Die o. g. Darlehenssumme wird dem Vertragsnehmer zur Verfügung gestellt. Die Rückzahlung kann der Vertragsnehmer monatlich oder als Einmalzahlung vornehmen. Zur Absicherung des privaten Darlehens werden nachfolgende Versicherungen verwendet:

Versicherungsgesellschaft:

Versicherungsart:

Versicherungsnummer:

Q.

aufgeschobene RV

          R.

J.

fondgebundene RV

          S.

T.

Rentenversicherung

        U.

Die Versicherungsscheine bleiben bis zur Endrückzahlung im Besitz des Vertragsnehmers.

Am 04.03.2013 beantragte der Kläger beim Beklagten erneut die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Der Antrag wurde mit dem Bescheid vom 14.03.2013 abgelehnt. Zur    Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Leistungsbewilligung nicht möglich sei, weil sich aus den vorliegenden Unterlagen ein Gesamtvermögen i. H. v. 18.477,10 €   ergeben habe. Abzüglich der gesetzlichen Freibeträge i. H. v. 6.150,00 € würde ein anzurechnendes Vermögen von 12.327,10 € verbleiben (Bl. 173 VA). Hierbei hatte der Beklagte u. a. die Rückkaufswerte der vom Kläger abgeschlossenen Versicherungen berücksichtigt. Auf die Vermögensübersicht auf Bl. 132 VA wird vollinhaltlich Bezug genommen.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger zunächst höhere Freigrenzen für die Altersvorsorge geltend und wies darauf hin, dass die Versicherungen im Wesentlichen für seine Altersvorsorge abgeschlossen worden seien und erst in den Jahren 2028, 2034 und 2041 fällig würden. Daraufhin bat der Beklagte den Kläger darum, Bestätigungen der Versicherungsunternehmen hinsichtlich der aktuellen Rückkaufwerte und eines Verwertungsausschlusses nach § 168 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (= VVG) zu übersenden. Im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens wies der Kläger den Beklagten auch auf den mit seinem Bruder geschlossenen, o. g. Darlehensvertrag hin. Da seinem Bruder zur Absicherung die drei wichtigsten Rentenversicherungen übergeben worden seien, müsste das anzurechnende Vermögen neu berechnet werden. Das Darlehen sei für die Etablierung seiner selbständigen Tätigkeit als Finanzmanager und für private Ausgaben gewährt worden. Die Darlehenssumme habe er in bar erhalten. Der Widerspruch wurde mit dem ausführlich begründeten Widerspruchsbescheid vom 18.07.2013 zurückgewiesen. Darin wurde zunächst dargestellt, dass der Kläger am 04.03.2013 ü...

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