Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht zur Verwertung einer Kapitallebensversicherung beim Einsatz von Vermögen

 

Orientierungssatz

1. Hilfebedürftigkeit als Voraussetzung eines Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen ist u. a. zu verneinen, wenn das zumutbar verwertbare Vermögen des Antragstellers den monatlichen Hilfebedarf im streitbefangenen Zeitraum überschreitet und diesen damit deckt.

2. Bei dem Rückkaufswert einer Kapitallebensversicherung handelt es sich um einen verwertbaren Vermögensgegenstand i. S. von § 12 Abs. 1 SGB 2. Ein solcher Vermögensgegenstand ist mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Bei einer Kapitallebensversicherung ergibt sich der Verkehrswert aus dem Rückkaufswert der Versicherung.

3. Alle aktiven Vermögenswerte müssen grundsätzlich zur Absicherung des Lebensunterhalts eingesetzt werden. Die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bei der Feststellung der vorhandenen Vermögenswerte ist allenfalls dann geboten, wenn eine Verbindlichkeit unmittelbar auf dem fraglichen Vermögensgegenstand, z. B. in Form einer auf einem Grundstück eingetragenen Grundschuld lastet.

4. Die Verwertung einer Kapitallebensversicherung ist dann nicht zumutbar, wenn diese für den Berechtigten eine besondere Härte darstellen würde. Dies setzt voraus, dass die Umstände dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte.

5. Die Privilegierung einer Lebensversicherung im Rahmen des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 2. Alt. SGB 2 kommt nur in Betracht, wenn die Lebensversicherung tatsächlich zur Altersvorsorge bestimmt ist. Die hierzu erforderliche Disposition muss sicherstellen, dass der Zugriff auf das Vermögen vor dem Ruhestand erheblich erschwert wird.

6. Bei offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit ist die Verwertung der Lebensversicherung ausgeschlossen. Diese liegt dann vor, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des zu verwertenden Gegenstandes steht. Bei einem Verlust von 12,9 % bei der Verwertung einer Lebensversicherung ist die Grenze offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit noch nicht erreicht.

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 27.12.2010 wird zurückgewiesen.

Kosten der Kläger sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 26.02.2009 bis 30.06.2010.

Der am 00.00.1955 geborene Kläger zu 1) und die am 00.00.1972 geborene Klägerin zu 2) sind verheiratet. Die Klägerin zu 2) besitzt die polnische Staatsangehörigkeit und verfügt über eine unbefristete Arbeitsgenehmigung. In der Zeit vom 26.02. bis 31.05.2009 wohnten die Kläger mietfrei im Haus des Vaters des Klägers zu 1). Zum 01.06.2009 mieteten die Kläger die Wohnung, C 00, C, an. Die Grundmiete belief sich auf 570,00 EUR mtl. und die Betriebskostenvorauszahlung auf 160,00 EUR. mtl ...

Am 01.10.2001 schloss der Kläger zu 1) mit der mit der I Lebensversicherung-AG (im Folgenden I) eine Kapitallebensversicherung (Versicherungs-Nummer 000) mit einer Laufzeit von 15 Jahren und einer Überschussbeteiligung ab. Bestandteil des Versicherungsvertrags ist die Anlage 400: Allgemeine Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung gewesen. § 15 Abs. 4 der Allgemeinen Bedingungen lautet wie folgt:

"(1) Die Leistungen aus dem Versicherungsvertrag erbringen wir an Sie als Versicherungsnehmer/in oder an ihre Erben, falls Sie uns keine andere Person benannt haben, die bei Eintritt des Versicherungsfalls die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag erwerben soll (Bezugsberechtigter). Bis zum Eintritt des Versicherungsfalls können Sie das Bezugsrecht jederzeit widerrufen.

(2) Sie können ausdrücklich bestimmen, dass der/die Bezugsberechtigte sofort und unwiderruflich die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag erwerben soll. Sobald wir Ihre Erklärung erhalten haben, kann dieses Bezugsrecht nur noch mit Zustimmung des/der von Ihnen Benannten aufgehoben werden.

(3) Sie können Ihre Rechte aus dem Versicherungsvertrag auch abtreten und verpfänden

(4) Die Einräumung und der Widerruf eines widerruflichen Bezugsrechts (vgl. Absatz 1) sowie die Abtretung und Verpfändung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag sind uns gegenüber nur und erst dann wirksam, wenn sie uns schriftlich angezeigt worden sind ..."

Einen Verwertungsausschluss nach § 168 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) wurde nicht vereinbart. Am 26.02.2009 betrug der Rückkaufswert der Kapitallebensversicherung einschließlich der Überschussbeteiligung 28.726,85 EUR, die Beitragszahlungen beliefen sich am 26.02.2009 auf insgesamt 31.737,91 EUR. Zum 01.07.2010 kündigte der Kläger zu 1) die Kapitallebensversicherung. Der Rückkaufswert belief sich am 05.07.2010 auf insgesamt 35.051,12 EUR.

Am 26.02.2009 beantragten die Kläger bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich: Beklagter) die Gewährung von Leistungen zu Sicherung des Le...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge