Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Kostenfestsetzungsverfahren. Verfahrensgebühr. Anrechnung der Geschäftsgebühr bei identischem Kostenschuldner im Vor- und Gerichtsverfahren. Einigungsgebühr. kein Gebührenanfall bei Abgabe von voneinander unabhängigen Prozesserklärungen ohne Einigungswillen

 

Leitsatz (amtlich)

Für das Kostenfestsetzungsverfahren mit einem für das Vorverfahren und das gerichtliche Verfahren identischen Kostenschuldner hat nach Vorbemerkung 3 Abs 4 VV RVG (juris: RVG-VV) die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in Höhe der entstandenen Gebühr und nicht in Höhe etwaiger tatsächlicher Zahlungen zu erfolgen.

 

Orientierungssatz

Für das Entstehen einer Einigungsgebühr ist es nicht ausreichend, wenn die Beteiligten voneinander unabhängige Prozesserklärungen abgeben, ohne sich zugleich vertraglich über die Beseitigung von Streit oder Ungewissheit zu einigen (vgl LSG Chemnitz vom 6.12.2013 - L 8 AS 527/13 B KO = NZS 2014, 160).

 

Tenor

1. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. September 2020 wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der vom Erinnerungsgegner zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren für ein sozialgerichtliches Verfahren auf dem Gebiet der Grundsicherung.

Im zugrunde liegenden Ausgangsverfahren S 24 AS 2064/18 erhoben die Erinnerungsführer durch ihren bereits im Widerspruchsverfahren tätig gewordenen anwaltlichen Prozessbevollmächtigten am 12. Juli 2018 Klage gegen einen im Anschluss an die endgültige Festsetzung ihres Leistungsanspruchs nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ergangenen Erstattungsbescheid des Erinnerungsgegners, durch den gegenüber dem Erinnerungsführer zu 1) und der Erinnerungsführerin zu 2) jeweils ein Betrag in Höhe von 166,60 € geltend gemacht wurde. Mit der Klageschrift wurde zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsverfahren verwiesen. Auf die richterliche Verfügung vom 10. Januar 2020 hin gab der Erinnerungsgegner mit Schriftsatz vom 5. März 2020 ein Teilanerkenntnis (Begrenzung der Erstattungsforderungen auf jeweils 122,89 €) unter Zuerkennung eines Kostenerstattungsanspruchs in Höhe von 25 % ab, das durch die Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 5. März 2020 angenommen und zugleich der Rechtsstreit insgesamt für erledigt erklärt wurde.

Mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 13. Mai 2020 machten die Erinnerungsführer für das vorangegangene Widerspruchsverfahren auf der Grundlage einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) in Höhe von 300,00 € (zuzüglich Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG, Pauschale für Post und Telekommunikation nach Nr. 7002 VV RVG und Mehrwertsteuer) und unter Berücksichtigung der Kostenquote von 25 % einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 121,98 € geltend, der durch den Erinnerungsgegner nachfolgend beglichen wurde. Für das Klageverfahren wurde eine Verfahrensgebühr in Höhe von 300,00 € zur Festsetzung beantragt und daneben eine Einigungsgebühr in gleicher Höhe. Die nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnende Geschäftsgebühr wurde mit 48,75 € ausgewiesen. Unter Berücksichtigung der Kostenquote errechneten die Erinnerungsführer einen Erstattungsbetrag für das Klageverfahren in Höhe von 196,72 €.

Nachdem der Kostenfestsetzungsantrag für das Widerspruchsverfahren durch die Erinnerungsführer für erledigt erklärt wurde, erfolgte mit Beschluss vom 3. September 2020 die Festsetzung der zu erstattenden außergerichtlichen Kosten in Höhe von 66,91 € nach folgender Berechnung:

Klageverfahren (Erster Rechtszug)

Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV)

300,00 €

Gebührenerhöhung (Nr. 1008 VV) 0,3-fach

90,00 €

Anrechnung Geschäftsgebühr Vorbem. Teil 3, Abs. 4 VV (Nr. 2302 VV)

-175,00 €

Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV)

20,00 €

--------------

Insgesamt

235,00 €

19 % Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV

44,65 €

--------------

Gesamtsumme

279,65 €

davon ¼

69,91 €

Mit der hiergegen am 14. Oktober 2020 erhobenen Erinnerung rügen die Erinnerungsführer die unterbliebene Festsetzung einer Einigungsgebühr und machen geltend, bei der Berechnung der Höhe des Anrechnungsbetrages der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr sei unberücksichtigt geblieben, dass eine Kostenerstattung durch den Verfahrensgegner lediglich im Umfang von 25 % stattfinde. Insoweit erfolge eine geänderte Antragstellung.

Die Erinnerungsführer beantragen sinngemäß,

die vom Erinnerungsgegner zu erstattenden außergerichtlichen Kosten unter Abänderung des Beschlusses vom 3. September 2020 antragsgemäß und unter Berücksichtigung der Erklärungen im Erinnerungsverfahren festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Erinnerung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Verfahrens- und Prozessakten verwiesen.

II.

Die gemäß § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz statthafte und zulässige Erinnerung ist unbegründet.

1.

Die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahre...

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