Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.07.2014; Aktenzeichen B 10 SF 1/14 R)

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die im Hilfsfall T1 erbrachten Aufwendungen für die Zeit vom 10.05.2006 bis 07.03.2007 i.H.v. 35.386,55 EUR zu erstatten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt 85 % und die Beklagte trägt 15 % der Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Kostenerstattung für die vollstationäre Unterbringung im Hilfefall des Beigeladenen für die Zeit vom 10.05.2006 bis 31.05.2010.

Der Beigeladene, geboren am 07.03.1986, besuchte zunächst die Grundschule, später ab der 5. Klasse die Sonderschule, die er mit dem Hauptschulabschluss Klasse 9 abschloss. Später legte er im Berufsvorbereitungsjahr den Hauptschulabschluss Klasse 10 ab. Im August 2005 begann der Beigeladene im Jugenddorf G eine Ausbildung zum Tischler. In dieser Zeit konsumierte der Beigeladene regelmäßig Drogen und es kam wiederholt zu aggressiven Impulsdurchbrüchen. Das Ausbildungsverhältnis wurde schließlich zum 15.01.2006 gekündigt. Da der Beigeladene Suizidgedanken äußerte, war er in stationärer Behandlung in der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der S. Die S teilten in ihren Berichten vom 13.02.2006, 22.03.2006 und 06.04.2006 die Diagnosen einer emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typus, einer leichtgradigen intellektuellen Minderbegabung, Cannabismissbrauch und einer Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung mit. Weiter wurde ausgeführt, im Vordergrund stünde die Persönlichkeitsstörung und das Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom. Der Beigeladene sei aufgrund seiner intellektuellen Minderbegabung sowie seiner reduzierten Belastungsfähigkeit nicht in der Lage, außerhalb einer geschützten Umgebung zu leben. Die Unterbringung in einer stationären Dauereinrichtung mit einem engen strukturierten Rahmen sei geboten.

Den Antrag des Beigeladenen auf Hilfe nach § 41 Sozialgesetzbuch Achter Teil -Kinder-und Jugendhilfe- (SGB VIII) vom 23.01.2006 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.03.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2006 ab. Es sei im Rahmen der Jugendhilfe nicht möglich, adäquat auf die nicht unerhebliche Drogenproblematik des Beigeladenen einzugehen.

Mit Datum vom 28.04.2006 stellte der Beigeladene bei dem Kläger einen Antrag auf Übernahme der Kosten für seinen stationären Aufenthalt im B. Der Beigeladene war dort am 10.05.2006 zur stationären Betreuung aufgenommen worden. Hierbei handelt es sich um eine Einrichtung zur Betreuung für seelisch behinderte, massiv verhaltensauffällige Erwachsene zwischen 16-30 Jahren (Leistungstyp 16).

Mit Bescheid vom 04.05.2006 erklärte sich der Kläger bereit, die Kosten des Aufenthaltes des Beigeladenen im Wohnheim T3 des B ab Aufnahmetag (10.05.2006) als zuständiger Leistungsträger zu übernehmen. Gleichzeitig meldete er bei der Beklagten vorsorglich einen Erstattungsanspruch an.

Mit Schreiben vom 13.10.2006 teilte der Kläger der Beklagten mit, nach erfolgter Prüfung der Unterlagen sei er zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei dem Beigeladenen um einen rein seelisch behinderten Jugendlichen handele, der die Voraussetzungen der Jugendhilfe nach dem SGB VIll erfülle. Die Unterbringung des Beigeladenen im Wohnheim T3 sei nicht aufgrund einer Drogenproblematik erfolgt, sondern wegen seiner instabilen Persönlichkeit, seines ausgeprägten Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndroms. Der Beigeladene bedürfe einer sozialen und lebenspraktischen Nachreifung in einem eng strukturierten Rahmen.

Mit Schreiben vom 28.11.2006 lehnte die Beklagte eine Erstattung von Kosten ab. Es handele sich bei dem Beigeladenen um einen mehrfach behinderten jungen Menschen, der nach dem Attest der S vom 06.04.2006 und des Hilfeplans des B vom 24.07.2006 der Hilfe in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe mit dem Leistungstyp LT 10 NRW bedürfe; dieser Leistungstyp bezeichne Wohnungsangebote für Erwachsene mit geistiger Behinderung und hohem sozialen Integrationsbedarf.

Der Kläger hat am 26.1.2007 Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Köln erhoben. Die Beklagte sei zur Erstattung der Aufwendungen gemäß §§ 102ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch -Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz- (SGB X) verpflichtet, denn sie sei vorrangig leistungsverpflichtet. Bei der Drogenerkrankung des Beigeladenen handele es sich um eine rein seelische Behinderung, welche in jedem Fall in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten gemäß § 35 a Abs. 1 SGB VIII falle. Die Unterbringung des Beigeladenen im Wohnheim sei nur aufgrund seiner seelischen. Behinderung und nicht aufgrund einer geistigen Behinderung erforderlich gewesen, die Unterbringung solle der Nachreifung seiner Persönlichkeit dienen. Maßnahmen für junge Menschen, die seelisch behindert seien, fielen in den vorrangigen Zuständigkeitsbereich der Jugendhilfe.

Auf Nachfrage des VG Köln hat der Kläger mitgeteilt, seinen Erstattungsanspruch auf § 102 SGB X stützen zu wollen....

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