Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Aufhebung der Festbetragsfestsetzung für Alpha-1-Rezeptoren-Blocker Gruppe 2

 

Orientierungssatz

Die Festbetragsfestsetzung der Spitzenverbände der Krankenkassen betreffend Alpha-1-Rezeptoren-Blocker Gruppe 2 nach § 35 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 5 ist aufzuheben, da es sowohl pharmakologisch wie auch medizinisch unvertretbar ist, Alfuzosin und Terazosin therapeutisch zu vergleichen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Festsetzung eines Festbetrages für Alpha-1-Rezeptorenblocker.

Durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen hatte der Gesetzgeber mit Buch V des Sozialgesetzbuches (SGB V) das Festbetragssystem eingeführt. Danach bestimmt der Beigeladene zu 1) in Richtlinien, für welche Gruppen von Arzneimitteln Festbeträge festgesetzt werden. Bis zu deren Höhe übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung Kosten. Nach diesem System sind in einer zweiten Stufe Fertigarzneien mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen zusammenzufassen (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V).

Der Beigeladene zu 1) hatte mit Beschluß vom 17.12.1996 die Alpha-Rezeptorenblocker Terazosin und Alfuzosin als Arzneimittel der Gruppe 2 zusammengefaßt. Alpha-Rezeptoren-Antagonisten wurden ursprünglich zur Behandlung des Bluthochdruckes entwickelt. Der Alpha-Rezeptor ist ein Rezeptor des sympathischen Nervensystems, der an den Gefäßen zu einer Kontraktion der glatten Muskulatur führt. Durch Relaxation der Gefäße nach einer Blockade jener Rezeptoren ließ sich der erhöhte Blutdruck vermindern. Diese Wirkung hat auch Terazosin (neben Prazosin und Doxazosin). Bei der Behandlung männlicher Bluthochdruckpatienten, die gleichzeitig unter einer gutartigen Prostatavergrößerung leiden, wurde beobachtet, daß sich die Miktionsbeschwerden deutlich verbesserten. Deshalb wurden Alpha-1-Rezeptorenblocker auf ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit für die Indikation der benignen Prostatahyperplasie (BPH) geprüft. Zu den für diesen Indikationsbereich zugelassenen Alpha-Rezeptorenblockern gehören neben Terazosin auch Alfuzosin, Doxazosin und Tamsulosin.

Um die zwei ähnlichen aber doch verschiedenen Wirkstoffe Alfuzosin und Terazosin vergleichen zu können, setzte der Beigeladene zu 1) auch einen Äquivalenzfaktor fest. Er bestimmt, in welchem Verhältnis die Stoffe zueinander wirken. Der Beigeladene zu 1) orientierte sich dabei an der rechnerischen mittleren Tagesdosis (rmTD), die er für die Therapie als notwendig ansah. Für Terazosin setzte er den Wert auf 750 mg fest, für Alfuzosin auf 875 mg. Dementsprechend ist von den Beklagten am 16.10.1997 der Festbetrag festgesetzt und im Bundesanzeiger vom 22.10.1997 mit Wirkung ab 01.10.1997 bekannt gemacht worden (Nr. 197, Seite 13062).

Die Klägerin produziert und vertreibt die Fertigarznei ... mit dem Wirkstoff Terazosin in einer Dosis von einem Milligramm, zwei Milligramm, fünf Milligramm und zehn Milligramm. Im August 1998 hatte das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einer Änderungsanzeige der Klägerin zugestimmt, nach der der therapeutische Bereich in der Regel bei zwei Milligramm bis fünf Milligramm Terazosin pro Tag liege. Die Beigeladene zu 3) vertreibt das Präparat ... die Beigeladene zu 4) das Präparat ... beide mit dem Wirkstoff Alfuzosin. Die zwei Milligrammpackung ... mit ... Tabletten wurde 1998 zu einem Verkaufspreis von ... DM in den Apotheken abgegeben, die 2,5 Milligrammpackung ... mit ... Tabletten zu ... DM. Der Festbetrag für Terazosin liegt etwa um ein Drittel unter jenem Preis, den die Klägerin bis dahin verlangt hatte.

Die Klägerin hat am 21.11.1997 Klage erhoben.

Sie rügt zunächst, der Beigeladene zu 1) habe den Äquivalenzfaktor fehlerhaft festgesetzt; da er letztlich die auf Studien gegründete und von der Zulassungsbehörde genehmigte reduzierte Herstellerangabe zur mittleren Tagesdosis bei seinen Berechnungen verdoppelt habe, sei die Preisgünstigkeit geradezu umgekehrt; darüber hinaus sei die Zusammenfassung von Terazosin und Alfuzosin in einer Festbetragsgruppe fehlerhaft, weil die Wirkstoffe pharmakologisch-therapeutisch nicht vergleichbar seien; die therapeutische Vergleichbarkeit alleine reiche nach den gesetzlichen Vorgaben nicht aus; die pharmakologischen Unterschiede bei der Dosis/Wirkungsrelation und ihrem zeitlichen Verlauf (Wirkdauer/Halbwertzeit und Dosierungshäufigkeit) sowie bei der Resorption im Körper (Geschwindigkeit und Ausmaß, Bioverfügbarkeit) seien bereits wesentlich; aber auch therapeutisch seien die Wirkstoffe nicht vergleichbar; durch die bessere Patientencompliance sei eher sichergestellt, daß ... vom Patienten ordnungsgemäß eingenommen werde: aufgrund der längeren pharmakologischen Wirkung reiche in der Regel bei Terazosin die Einnahme einer Tablette pro Tag aus, während bei Alfuzosin dreimal täglich eine Einnahme erforderlich sei, bei der Retardtablette sei eine zweimalige Dosierung erforderlich; darüber hinaus wirke Terazosin zusätzlich bei einem Bluthochdruck, unter dem zirka 40 vom Hu...

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