Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Dozenten

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Ist ein für den Jugendfreiwilligendienst tätiger Dozent als freier Mitarbeiter eingesetzt, ist er nicht verpflichtet, seine Dienste höchstpersönlich zu erbringen, ist er hinsichtlich der Gestaltung seiner Tätigkeit weisungsfrei und in die Organisation seines Auftraggebers nicht eingebunden, hat er keinerlei Verwaltungsaufgaben zu übernehmen, keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Urlaub und erhält er ein vereinbartes Honorar lediglich für tatsächlich gehaltene Seminare, so ist von dem Bestehen einer selbständigen Tätigkeit auszugehen.

 

Tenor

Der Bescheid vom 09.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2015 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Beigeladene in der Zeit vom 03.09.2012 bis 08.11.2013 nicht aufgrund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als Dozentin in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig bei der Klägerin tätig war.

Die Kosten werden der Beklagten auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den sozialversicherungsrechtlichen Status der Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin im Gesamtzeitraum vom 03.09.2012 bis zum 08.11.2013.

Die Klägerin ist eine gemeinnützige GmbH. Sie bietet Jugendfreiwilligendienste in Form des freiwilligen sozialen Jahres und des Bundesfreiwilligendienstes an. Freiwillige, die in einer Dienststelle einer der entsprechenden Gesellschaft der Klägerin eingesetzt werden, müssen nach gesetzlicher Anforderung Seminare im zeitlichen Umfang von 25 Tagen besuchen, davon 20 Tage als pädagogische Seminare und 5 Tage als politische Bildung. Das pädagogische Seminarangebot hat die Zentralstelle der Klägerin sicherzustellen. Dafür werden deutschlandweit Bildungshäuser für jeweils eine Woche am Stück angemietet.

Darüber hinaus wird seitens der Klägerin für jeden Freiwilligen eine dauerhafte Betreuung/Begleitung durch so genannte Mentoren sichergestellt. Diese Mentorentätigkeit wird von einer Gruppe hauptamtlich beschäftigter Pädagogen der Klägerin übernommen. Diese sind auch für die Verwaltung und Planung sowie einen Teil der Seminarleitung zuständig und verantwortlich. Nur bezogen auf den Bereich Seminarleitung werden die hauptamtlichen Kräfte der Klägerin durch so genannte Honorarkräfte unterstützt.

Die Beigeladene war im streitigen Zeitraum eine derartige so genannte Honorarkraft.

In der Zeit vom 03.09.2012 bis zum 08.11.2013 nahm die Beigeladene an insgesamt 10 jeweils einwöchigen Seminaren teil.

Nach den jeweils entsprechend zu Grunde liegenden Honorarverträgen oblag der Beigeladenen ebenfalls die geteilte Seminarleitung während des einwöchigen Zeitraums. Die Beigeladene unterlag bei der Durchführung der ihr übertragenen Tätigkeit keinen Weisungen der Klägerin. Ebenso wenig hatte sie entsprechende Weisungsrechte gegenüber den Mitarbeitern der Klägerin. Sie verbrachte die Zeit von Montag 11:00 Uhr bis Freitag 14:00 Uhr mit den Teilnehmern im Tagungshaus und führte in dieser Zeit ca. 40 Unterrichtseinheiten durch. Sie unterlag in der Ausgestaltung ihrer Arbeitszeit keinerlei Einschränkungen. Hierfür erhielt sie in der Regel ein unterschiedliches Honorar, überwiegend jedoch 725,00 EUR. Ausdrücklich war in § 9 des Honorarvertrages geregelt, dass von der Möglichkeit des Abschlusses eines Anstellungsvertrages in Anwendung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit bewusst kein Gebrauch gemacht worden war. Eine Nettolohnabrede sei allerdings nicht beabsichtigt. Für den Fall, dass das Vertragsverhältnis dennoch als Anstellung eingeordnet werden sollte, sei der ausgezahlte Geldbetrag als Bruttolohn anzusehen.

An den Seminaren nahmen nach den Ausführungen der Beigeladenen im Termin am 20.06.2016 jeweils etwa 30 Teilnehmer teil, die in der Regel volljährig waren. Das Seminar sollte motivieren und gruppendynamische Prozesse hervorrufen. Teilweise durften die Teilnehmer das Thema auch selbst auswählen. Die Beigeladene nahm jeweils mit einer anderen so genannten Honorarkraft und einem hauptamtlichen Mitarbeiter der Klägerin an diesem Seminar teil. Am 1. Tag der Woche erschien der hauptamtliche Mitarbeiter regelmäßig und war für die Anwesenheitskontrolle der Teilnehmer und Dokumentation etc. zuständig. Nur der hauptamtliche Mitarbeiter hatte auch entsprechende Daten (Telefonnummern/Adressen) über die Teilnehmer. Er stellte sich als hauptamtlicher Mitarbeiter vor. Die Beigeladene s...

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