Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Ermittlung der "billigen" Gebühren nach dem Kieler Kostenkästchen. Untätigkeitsklage. Verfahrensgebühr nach Nr 3102 RVG-VV. fiktive Terminsgebühr. Terminsgebühr. anwaltliche Tätigkeit. Umfang. Schwierigkeit. Bedeutung. Empfänger von Grundsicherungsleistungen. Kosten des Erinnerungsverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ermittlung "billiger" Gebühren erfolgt nach dem Kieler Kostenkästchen.

Die Untätigkeitsklage löst regelmäßig eine Verfahrensgebühr nach der Nr 3102 RVG-VV aus.

Zum Umfang der anwaltlichen Tätigkeit bei einer Untätigkeitsklage (Konkretisierung der Entscheidung des SG Kiel vom 10.1.2012 - S 21 SF 200/11 E = NZS 2012, 200 und Abgrenzung zu SG Kiel vom 1.6.2012 - S 21 SF 7/12 E).

Die Schwierigkeit einer Untätigkeitsklage ist deutlich unterdurchschnittlich.

Die Bedeutung einer Untätigkeitsklage ist unterdurchschnittlich.

Bei Empfängern von Grundsicherungsleistungen liegen deutlich unterdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse vor.

Die unstreitig erledigte Untätigkeitsklage löst eine fiktive Terminsgebühr aus.

Zur Ermittlung der billigen Terminsgebühr und der billigen fiktiven Terminsgebühr.

Für das Erinnerungsverfahren sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. Es bleibt bei der bisherigen Rechtsprechung der Kammer auch in Kenntnis des Referentenentwurfs zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz.

 

Tenor

Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Kiel in dem Verfahren S 37 AS 1567/11 vom 06.02.2012 wird geändert.

Die der Erinnerungsführerin von dem Erinnerungsgegner zu erstattenden außergerichtlichen Kosten werden auf 208,25 € festgesetzt.

Die festgesetzten Kosten sind wie im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss ausgesprochen zu verzinsen.

Das Verfahren ist kostenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Erinnerungsführerin hatte - anwaltlich vertreten - am 20.11.2011 beim Sozialgericht Kiel Untätigkeitsklage erhoben. Gerügt war eine bislang nicht erfolgte Entscheidung über einen mit Schreiben vom 22.08.2011 eingelegten Widerspruch. Die Klagerwiderung und die Übersendung der Verwaltungsakten erfolgte nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist. Das Gericht hörte die Beteiligten daraufhin zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid an. Die Erinnerungsführerin erklärte sich mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden. Ein Gerichtsbescheid wurde nicht mehr erlassen. Das Verfahren endete gütlich durch Erlass eines Widerspruchsbescheides nebst Kostenanerkenntnis und Erledigungserklärung bzw. Annahme des Anerkenntnisses.

Mit Antrag vom 27.01.2012 beantragte die Erinnerungsführerin die Festsetzung der anwaltlichen Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG) wie folgt:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV-RVG 

85,-- €

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV-RVG

70,-- €

Postpauschale, Nr. 7002 VV-RVG

20,-- €

19 % Umsatzsteuer, 7008 VV-RVG

33,25 €

Gesamt

208,25 €

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle kürzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.02.2012 die Verfahrens- und die Terminsgebühr jeweils auf die Mindestgebühr in Höhe von 40,-- € bzw. 20,-- €. Die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten setzte sie nach anteiliger Kürzung der Postpauschale und der Umsatzsteuer insgesamt auf 85,68 € fest. Zur Begründung bezog sich die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle im Wesentlichen auf die in der Entscheidung der erkennenden Kammer vom 10.01.2012 - S 21 SF 200/11 E - (veröffentlicht in juris) dargelegten Grundsätze.

Hiergegen hat die Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vom 09.02.2012 Erinnerung eingelegt. Sie hält die Bedeutung einer Untätigkeitsklage für überdurchschnittlich. Auch sei eine Kostenentscheidung erforderlich.

Der Erinnerungsgegner hat sich zur Erinnerung nicht geäußert.

II.

Die Erinnerung ist zulässig.

Nach § 197 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) setzt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Nach § 197 Abs. 2 SGG kann gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden. Die Monatsfrist ist eingehalten worden.

Die Erinnerung ist auch begründet.

anwendbare Gebührenvorschriften:

Die Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten bemisst sich nach dem RVG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RVG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen - wie im vorliegenden Fall - das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem VV-RVG (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG).

Im Fall der Untätigkeitsklage ist die Verfahrensgebühr nach der Nr. 3102 VV-RVG anzusetzen. Bei der Untätigkeitsklage handelt es sich um eine von der sonstigen Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren unabhängige Tätigkeit mit der Folge, dass für den abgesenkten ...

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