Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Untätigkeitsklage. Ermittlung der "billigen" Gebühren nach dem Kieler Kostenkästchen. Verfahrensgebühr. Mindestgebühr. fiktive Terminsgebühr. Erhöhungsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ermittlung "billiger" Gebühren erfolgt nach dem Kieler Kostenkästchen.

Für eine Untätigkeitsklage ist unter Umständen nur die Mindestgebühr billig (Änderung der bisherigen Rechtsprechung).

Eine unstreitig erledigte erfolgreiche Untätigkeitsklage löst eine fiktive Terminsgebühr aus.

Die Erhöhungsgebühr fällt auch bei Untätigkeitsklagen an.

 

Tenor

Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Kiel in dem Verfahren S 40 AS 570/11 vom 10.08.2011 wird geändert.

Die den Erinnerungsgegnern von dem Erinnerungsführer zu erstattenden außergerichtlichen Kosten werden auf 119,95 € festgesetzt.

Die festgesetzten Kosten sind wie im angefochtenen Bescheid ausgesprochen zu verzinsen.

 

Gründe

I.

Die Erinnerungsgegner hatten - anwaltlich vertreten - am 27.04.2011 beim Sozialgericht Kiel Untätigkeitsklage erhoben. Gerügt war eine bislang nicht erfolgte Entscheidung über einen mit Schreiben vom 12.11.2010 eingelegten Widerspruch. Das Verfahren endete gütlich durch Erlass eines Bescheides nebst Kostenanerkenntnis und Erledigungserklärung bzw. Annahme des Anerkenntnisses.

Mit Antrag vom 07.06.2011 beantragten die Erinnerungsgegner die Festsetzung der anwaltlichen Vergütung - begründet nach dem Kieler Kostenkästchen - wie folgt:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV-RVG

85,-- €

Erhöhungsgebühr für zwei weitere Auftraggeber um 0,6, Nr. 1008 VV-RVG  

51,-- €

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV-RVG

70,-- €

Postpauschale, Nr. 7002 VV-RVG

20,-- €

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV-RVG

42,94 €

Gesamt

268,94 €

Der Erinnerungsführer erklärte sich mit Stellungnahme vom 08.07.2011 nur bereit, die Mindestgebühr nach der Nr. 3102 VV-RVG zu erstatten, nicht dagegen die Termins- und die Erhöhungsgebühr.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.08.2011 die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten antragsgemäß auf 268,94 € fest.

Hiergegen hat der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 07.09.2011 Erinnerung eingelegt. Er hält nach den Grundsätzen des Kieler Kostenkästchens den erforderlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit für deutlich unterdurchschnittlich. Die - fiktive - Terminsgebühr falle nach seiner Auffassung bei Untätigkeitsklagen regelmäßig nicht an. In Kenntnis der Rechtsprechung des Sozialgerichts Kiel sei bei Ansatz der Terminsgebühr jedenfalls nur die Mindestgebühr billig. Auch sei die Erhöhungsgebühr im Falle von Untätigkeitsklagen nicht anzusetzen, da ein Mehraufwand für den Rechtsanwalt nicht erkennbar sei.

Die Erinnerungsgegner halten die Kostenfestsetzung unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des Sozialgerichts Kiel für zutreffend.

II.

Die Erinnerung ist zulässig.

Nach § 197 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) setzt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Nach § 197 Abs. 2 SGG kann gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden. Die Monatsfrist ist eingehalten worden.

Die Erinnerung ist auch zum Teil begründet.

anwendbare Gebührenvorschriften:

Die Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten bemisst sich nach dem RVG (§1 Abs. 1 Satz 1 RVG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen - wie im vorliegenden Fall - das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG).

Im Fall der Untätigkeitsklage ist die Verfahrensgebühr nach der Nr. 3102 VV-RVG anzusetzen. Bei der Untätigkeitsklage handelt es sich um eine von der sonstigen Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren unabhängige Tätigkeit mit der Folge, dass für den abgesenkten Gebührenrahmen der Nr. 3103 VV-RVG kein Raum besteht.

Die Terminsgebühr nach der Nr. 3106 VV-RVG ist als fiktive Terminsgebühr ansetzbar. Dieser Ansatz bei einer Untätigkeitsklage wird nicht einheitlich beurteilt. Es wird zum Teil die Auffassung vertreten, der bloße Erlass des begehrten Verwaltungsaktes stelle kein Anerkenntnis im Sinne des § 101 Abs. 2 SGG dar (vgl. Kostenbeamtin des Sozialgerichts Kiel im angefochtenen Beschluss mwN, insbesondere LSG Nordrhein-Westfalen vom 05.05.2008 - L 19 B 24/08 AS - bzw. aktuell vom 09.03.2011 - L 7 B 255/09 AS -). Dieser Auffassung schließt sich die Kostenkammer des Sozialgerichts Kiel nicht an. Auch nach Erlass des mit der Untätigkeitsklage begehrten Bescheides bzw. Widerspruchsbescheides tritt keine automatische Erledigung des Rechtsstreits ein. Eine nach Ablauf der Sperrfrist des § 88 SGG erhobene Klage ist regelmäßig dem ersten Anschein nach begründet. Falls der Erinnerungsgegn...

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