Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.03.2015; Aktenzeichen B 8 SO 20/13 R)

 

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Kosten der stationären Betreuung des Herrn C. im Zeitraum vom 02.06.2010 - 28.02.2011 in Höhe von 12.210,12 Euro zu erstatten.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Klägers zu tragen.

Der Streitwert wird auf 12.210,12 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Beklagten Kostenerstattung nach § 106 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der 1955 geborene C. (C.) wurde vom 02.06.2010 - 28.02.2011 im Rahmen des § 67 SGB XII stationär im D-Haus in D-Stadt, einer Facheinrichtung für Wohnungslose, stationär betreut und der Landkreis Limburg-Weilburg als sogenannter Delegationsnehmer hat zunächst die Kosten für die vollstationäre Unterbringung des C. in Höhe von 12.210,12 Euro übernommen. Zuvor hatte C. einen Antrag zur Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß § 67 SGB XII für die Zeit ab 02.06.2010 beim Delegationsnehmer gestellt. C. hatte seit 2008 bis 15.04.2010 mit einer Lebensgefährtin in E-Stadt im Rhein-Lahn-Kreis in Rheinland-Pfalz gelebt. In dieser Zeit hatte er wiederholt als Saisonarbeiter in Österreich gearbeitet, war aber anschließend jeweils nach E-Stadt zurückgekehrt. C. verließ am 15.04.2010 nach einem Streit mit der Lebensgefährtin die gemeinsame Wohnung. Er besuchte anschließend Verwandte in England und dann in Marokko. Von Marokko aus reiste er am 08.05.2010 zur Arbeitssuche nach Österreich. Nach vergeblicher Suche dort kehrte er nach Deutschland zurück und befand sich ab 31.05.2010 in D-Stadt im D-Haus. Er übernachtete dort zunächst in der Herberge und wurde ab 02.06.2010 stationär im D-Haus aufgenommen. Mit Schreiben vom 09.08.2010 erteilte der Delegationsnehmer auf Antrag der Einrichtung dem C. eine Kostenzusage gemäß § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII. Gleichzeitig wurde beim Sozialamt des Rhein-Lahn-Kreises Kostenerstattung nach § 106 SGB XII angemeldet. Sowohl der Rhein-Lahn-Kreis als auch der Beklagte lehnten die Kostenübernahme in Schreiben an die Einrichtung mit der Begründung ab, dass der gewöhnlicher Aufenthalt (gA) des C. in Rheinland-Pfalz in der Zeit vor der Aufnahme in die stationäre Einrichtung nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden könne. Anschließend wurde die Auffassung vertreten, dass mit Aufnahme und Übernachtung in der Herberge des D-Hauses der gA des C. in D-Stadt begründet worden sei und somit der letzte gA D-Stadt gewesen sei mit der Folge, dass eine Verpflichtung des Beklagten nicht bestehe. Zuletzt lehnte der Beklagte gegenüber dem Kläger den Kostenerstattungsanspruch mit Schreiben vom 06.12.2010 ab.

Mit der am 27.06.2011 beim Sozialgericht Kassel eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Kostenerstattung durch den Beklagten für die Zeit der stationären Unterbringung des C. vom 02.06.2010 - 28.02.2011 im D-Haus in D-Stadt.

Dazu macht er geltend, dass zwischen den Parteien unstreitig sein dürfe, dass dem C. ein Anspruch aus § 67 SGB XII zustehe. Der C. sei seit dem Verlassen der gemeinschaftlichen Wohnung mit seiner Lebensgefährtin am 15.04.2010 wohnungslos gewesen. Sein Bestreben, Arbeit zu finden, sei missglückt. Auch sei C. nicht in der Lage gewesen, die sozialen Schwierigkeiten aus eigener Kraft zu überwinden. Das Hilfsangebot der §§ 67 f. SGB XII stehe ihm damit zu. Die stationäre Hilfe für C. sei Teil eines Gesamtplans gewesen, um die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten zu gewähren. Für die in D-Stadt durchgeführte Maßnahme sei der Beklagte der zuständige Träger gewesen, da C. seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor der Aufnahme in die stationäre Einrichtung in E-Stadt in Rheinland-Pfalz gehabt habe. Aus § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII ergebe sich, dass für die stationäre Leistung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig sei, in dessen Bereich der Leistungsberechtigte seinen gA im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung habe oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt habe. Da im SGB XII der Begriff des gA nicht bestimmt sei, sei dieser § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I zu entnehmen. Hiernach habe eine Person dort ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort, wo sie sich u.U. aufhalte, die erkennen lasse, dass sie an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweile (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, Sozialhilfe, § 98 Rn. 22). Die Rechtsprechung verstehe darunter das tatsächliche, länger dauernde und nicht nur zufällige Verweilen in einem bestimmten Ort oder Gebiet. Dabei enthalte der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltsortes ein subjektives und ein objektives Element (Wahrendorf, a.a.O., Rn. 23). Subjektiv sei der tatsächliche Wille entscheidend, sich an einem Ort auf Dauer im Gegensatz zu vorübergehend niederzulassen. Mit Ort sei dabei die politische Gemeinde, nicht eine Wohnung gemeint (vgl. VGH München in FEVS 51, 517, 518). Abzustellen sei auf den tatsächlich zum Ausdruck kommenden Willen des Leistungsberechtigten (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, Kommentar zum SGB XII, ...

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