Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Europarechtskonformität. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Ausschluss von Ausländern, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende gemäß § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 ist mit dem Grundgesetz und dem Recht der Europäischen Union vereinbar.

2. Die Ausübung einer Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB 2 begründet kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer.

3. Eine Folgenabwägung ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedenfalls dann nicht vorzunehmen, wenn das Gericht die Sach- und Rechtslage nicht lediglich summarisch, sondern abschließend geprüft hat.

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt …, Karlsruhe, wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 1. Februar 2014.

Die Antragstellerin ist am 17. April 1991 in Griechenland geboren. Sie ist griechische Staatsangehörige. Nachdem sie nach eigenen Angaben in Deutschland aufgewachsen war, kehrte sie im August 2008 nach Griechenland zurück, um dort ihren Schulabschluss zu machen. Seit Oktober 2012 lebt sie wieder in der Bundesrepublik Deutschland. Ihr Vater lebt in der gleichen Stadt wie die Antragstellerin und steht in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis; die Antragstellerin hat jedoch keinen Kontakt zu ihm; sie beschreibt das Verhältnis als “zerrüttet„. Die Antragstellerin übt seit Oktober 2013 eine Arbeitsgelegenheit im Sinne von § 16d SGB II aus. Sie verdiente hiermit im Oktober 2013 81 Euro, im November 2013 80 Euro sowie Dezember 2013 72 Euro

Einen ersten Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 5. April 2013 und Widerspruchsbescheid vom 29. April 2013 ab. Hiergegen ist bei der Kammer ein Hauptsacheverfahren anhängig, das derzeit ruht (S 15 AS 1955/13)

Mit Beschluss vom 13. Mai 2013 verpflichtete das Sozialgericht Karlsruhe (S 15 AS 1547/13 ER) den Antragsgegner, der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab dem 29. April 2013 bis zum Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 5. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2013, längstens aber bis zum 31. August 2013, zu gewähren. Die Beschwerde des Antragsgegners hiergegen wurde vom Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 5. Juni 2013 verworfen (L 2 AS 2259/13 ER-B).

Am 26. Juli 2013 beantragte die Antragstellerin erneut Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsgegner lehnte dies mit Bescheid vom 8. August 2013 und Widerspruchsbescheid vom 16. August 2013 ab. Hiergegen ist ein weiteres Hauptsacheverfahren bei der Kammer anhängig, das derzeit ruht (S 15 AS 428/14; vormals S 16 AS 3242/13).

Mit Beschluss vom 22. August 2013 verpflichtete das Sozialgericht Karlsruhe (S 15 AS 2815/13 ER) den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung, der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1. September 2013 bis zum Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 8. August 2013, längstens aber bis zum 31. Januar 2014, zu gewähren. Der Antragsgegner setzte diesen Beschluss mit Bescheid vom 28. August 2013 um.

Am 22. Januar 2014 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner die Weitergewährung der Leistungen. Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28. Januar 2014 ab. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, weil sie ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland allein zum Zwecke der Arbeitssuche habe. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 3. Februar 2014 Widerspruch, der mit Bescheid vom 5. Februar 2014 zurückgewiesen wurde.

Am 31. Januar 2014 suchte die Antragstellerin um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nach. Ein Leistungsausschluss bestehe nicht. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei mit Europarecht, namentlich mit Art. 4 der Verordnung 883/2004 unvereinbar und daher unwirksam. Der Leistungsausschluss sei auch deswegen nicht anwendbar, weil die Antragstellerin vom Schutzbereich des Europäischen Fürsorgekommens erfasst sei.

Die Antragstellerin beantragt,

den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 1. Februar 2014 zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass ein Anordnungsanspruch nicht vorliege, weil die Antragstellerin nicht zum Kreis d...

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