Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgeld. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. FFP2-Masken

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bestimmungen der CoronaVO BW (juris: CoronaVV BW) zu Mund-Nasen-Bedeckungen sind ein geeigneter Maßstab, den grundsicherungsrechtlichen Bedarf im Hinblick auf die Bereitstellung entsprechender Masken zu bestimmen.

2. Die Regelungen der CoronaVO BW über das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen sind mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Verfassungsrecht vereinbar.

3. Ein grundsicherungsrechtlicher Bedarf, FFP2-Masken zu tragen, ergibt sich in Baden-Württemberg (über die Vorgaben der CoronaVO BW hinaus) auch nicht aus anderen Rechtsvorschriften, insbesondere nicht aus Verfassungsrecht (entgegen SG Karlsruhe vom 11.2.2021 - S 12 AS 213/21 ER).

 

Tenor

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes wird abgelehnt.

Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Bereitstellung von 20 Mund-Nasen-Bedeckungen (MNBen), die den Anforderungen der Standards FFP2 (DIN EN 149:2001), KN95, N95 oder eines vergleichbaren Standards entsprechen (nachfolgend: FFP2-Masken) wöchentlich, oder - nach Wahl des Antragsgegners - die Gewährung eines Mehrbedarfs in Höhe von 129,00 € monatlich für die Zeit vom 25.01.2021 bis 20.06.2021.

Die am … 2009 geborene Antragstellerin bezieht zusammen mit ihren Eltern und ihren am … 2005, am … 2011 und am … 2016 geborenen Geschwistern laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zuletzt wurden der Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 05.11.2020 Leistungen in Höhe von 1.293,90 € monatlich für die Zeit vom 01.11.2020 bis 30.04.2020 bewilligt; mit Änderungsbescheid vom 21.11.2020 bewilligte der Antragsgegner für die Zeit vom 01.01.2021 bis 30.04.2021 Leistungen in Höhe von 1.337,90 € monatlich. Dabei legte er einen Gesamtbedarf von 3.020,98 € zugrunde und berücksichtigte ein Gesamteinkommen (nach Abzug von Absetzungen) in Höhe von 1.986,71 €.

Unter Hinweis auf den Beschluss der 12. Kammer des Sozialgerichts (SG) Karlsruhe vom 11.02.2021 (S 12 AS 213/21 ER; veröffentlicht in juris) beantragten die Eltern der Antragstellerin beim Antragsgegner mit Telefax vom 14.02.2021 die Bereitstellung von 20 FFP2-Masken wöchentlich für alle sechs Familienmitglieder bzw. die Zahlung weiterer Leistungen in Höhe von 129,00 € pro Monat und Person für die Zeit vom 25.01.2021 bis 20.06.2021. Sie seien bislang in Vorleistung getreten und hätten sich die FFP2-Masken selbst beschafft. Da sich ein Teil der Kinder ab 22.01.2021 (gemeint wohl: 22.02.2020) im Wechselunterricht befinde und für die FFP2-Masken nur eine Tragezeit von 75 Minuten vorgesehen sei, behalte man sich die Geltendmachung eines höheren Bedarfs für die Schulkinder ausdrücklich vor.

Mit Bescheid vom 19.02.2021, der Antragstellerin am selben Tag per Telefax bekannt gegeben, lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Bereitstellung von FFP2-Masken bzw. auf Kostenübernahme ab. Zur Begründung führte er aus, der Antrag werde als Antrag auf Überprüfung des Bescheids vom 05.11.2020 gewertet. Die Überprüfung habe jedoch ergeben, dass bei Erlass dieses Bescheids weder ein unzutreffender Sachverhalt zugrunde gelegt, noch das Recht unrichtig angewandt worden sei. Der geltend gemachte Bedarf sei nicht anzuerkennen. Nach § 1 Abs. 1 und § 2 Schutzmaskenverordnung (SchutzmV) hätten alle Bezieher von Arbeitslosengeld (Alg) II und alle, die mit einer solchen Person in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II leben, bis zum Ablauf des 06.03.2021 einen Anspruch auf einmalig zehn kostenlose FFP2-Masken. Darüber hinaus erhielten Leistungsberechtigte mit dem Sozialschutzpaket III, die für den Monat Mai 2021 Anspruch auf Alg II oder Sozialgeld haben und deren Bedarf sich nach Regelbedarfsstufe 1 oder 2 richtet, für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 30. Juni 2021 zum Ausgleich der mit der COVID-19-Pandemie in Zusammenhang stehenden Mehraufwendungen eine Einmalzahlung in Höhe von 150,00 €. Leistungsberechtigte, deren Bedarf sich nach Regelbedarfsstufe 3 richte, erhielten diese Einmalzahlung ebenfalls, sofern bei ihnen kein Kindergeld als Einkommen berücksichtigt werde. Ein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II könne daher nicht anerkannt werden.

Am 19.02.2021 hat die Antragstellerin beim SG Karlsruhe einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung nimmt sie auf den Beschluss des SG Karlsruhe vom 11.02.2021 in dem Verfahren S 12 AS 213/21 ER Bezug. Der genannten Entscheidung liege ein gleicher, zumindest aber ähnlicher Sachverhalt zugrunde. Sie sei finanziell nicht in der Lage, die sich aus der 5. ÄnderungsVO der CoronaVO des Landes Baden-Württemberg vom 23.01.2021 ab 25.01.2021 ergebende FFP2-Maskenpflicht zu erfüllen. Ein solcher Bedarf sei in den aktuellen Alg-II-Sätzen nicht enthalten. Auf die entspreche...

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