Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Leistungsberechtigung. sonstige Leistung. Eingliederungshilfe für ein behindertes Kind. Stellung eines Integrationshelfers für den Besuch einer Förderschule und einer kooperierenden Tagesstätte. Nachrangigkeit. Anspruch auf Stellung einer Begleitperson während der Schülerbeförderung gegen den Träger derselben nach Landesrecht. kein genereller Ausschluss von den Leistungen nach § 35a SGB 8. Unbeachtlichkeit von Störungen in der Beziehung zwischen Leistungsträger und Einrichtung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beantragt ein Leistungsberechtigter, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet während des Asylverfahrens gestattet war, erst nach Wegfall der Gestattungswirkung die Erteilung eines Aufenthaltstitels, folgt seine Leistungsberechtigung bis zur Erteilung des Titels aus § 1 Abs 1 Nr 5 AsylbLG. Für eine analoge Anwendung des § 1 Abs 1 Nr 4 AsylbLG ist jedenfalls nach Inkrafttreten des Zweiten Richtlinienumsetzungsgesetzes (juris: EURL/VisakodexUmsG) kein Raum mehr.

2. Das sog Nachrangprinzip der Sozialhilfe gilt auch im Asylbewerberleistungsrecht.

3. Es ist nach niedersächsischem Schulrecht nicht ausgeschlossen, dass ein behinderter Schüler einen Anspruch auf Stellung einer Begleitperson gegen den Träger der Schülerbeförderung hat, der gegenüber Maßnahmen der Eingliederungshilfe vorrangig ist.

4. Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG sind von der Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB 8 nicht generell ausgeschlossen.

5. Die zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern gebotenen sonstigen Leistungen nach § 6 Abs 1 S 1 AsylbLG umfassen auch Maßnahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen iS der §§ 53 ff SGB 12 und der EinglHV (juris: BSHG§47V). Ein Integrationshelfer für den Besuch einer Förderschule ist einem schulpflichtigen Grundleistungsberechtigten zum Ausschluss von Selbst- und Fremdgefährdungen zu stellen.

6. Der Anspruch auf Stellung eines Integrationshelfers kann im Einzelfall auch die außerschulische Betreuung des Behinderten in einer kooperierenden Tagesstätte umfassen (sog Ganztagsmodell).

7. Störungen in der vertraglichen Beziehung zwischen Leistungsträger und Einrichtung können sich nicht dergestalt zu Lasten des Hilfebedürftigen auswirken, dass der individuelle Anspruch auf einen Integrationshelfer gegen den Leistungsträger entfiele.

 

Tenor

Der Antragsgegner wird vorläufig bis zur Entscheidung der Kammer im anhängigen Hauptsacheverfahren S 42 AY 142/12, längstens jedoch bis zum Ablauf des Schuljahres 2012/2013, und unter dem Vorbehalt der Kostenerstattung durch den Antragsteller verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 3. September 2012 einen geeigneten Integrationshelfer während der Dauer des Besuchs der Schule L. in M. einschließlich der nachmittäglichen Betreuungsphase nach Unterrichtsschluss zur Verfügung zu stellen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung zwischen den Beteiligten nicht statt.

Dem Antragsteller wird für das vorliegende Verfahren ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt.

Im wird Rechtsanwältin N. in M. zur Vertretung in diesem Verfahren beigeordnet.

 

Gründe

I.

Der am 5. Mai 2000 in Syrien geborene Antragsteller reiste zusammen mit seinen Eltern und seinen drei minderjährigen Geschwistern am 4. Juni 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte mit seiner Familie die Anerkennung als Asylberechtigter. Während der Dauer des Asylverfahrens war dem Antragsteller und seiner Familie der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gestattet. Seit dem 6. September 2011 ist die Familie im Ortsteil O. des Flecken P. untergebracht. Der Antragsgegner gewährt dem Antragsteller und seiner Familie seither Grundleistungen nach § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) in gesetzlicher Höhe (vgl. Bescheid vom 19. September 2011, Bl. 23ff. der Leistungsakte (LA) und Änderungsbescheid vom 26. September 2011, Bl. 6ff. LA).

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. März 2012 wurde dem Antragsteller und seinen Familienangehörigen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) hinsichtlich Syrien zuerkannt; im Übrigen wurden die Asylanträge abgelehnt. Die Aufenthaltsgestattungen des Antragstellers und seiner Familienangehörigen liefen am 4. Juni 2012 aus. Erst danach unter dem 24., 25. Juni und 3. Juli 2012 beantragten der Antragsteller und seine Familienangehörigen bei der Ausländerbehörde des Antragsgegners (ABH) die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen gem. § 25 Abs. 3 AufenthG. Ihnen wurden daraufhin von der ABH unter dem 3. Juli 2012 bis zum 2. Oktober 2012 gültige Fiktionsbescheinigungen ausgestellt. Die von der ABH unter dem 31. Juli 2012 ausgestellten Aufenthaltstitel haben der Antragsteller und seine Familienangehörigen bis heute nicht abgeholt.

Der Antragsteller leidet ausweislich der sozialmedizinischen Stellungnahmen des Gesundheitsamtes des A...

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