Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Einkommen der Stiefeltern bei der Bedarfsermittlung für die Stiefkinder

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Einkommen der Stiefeltern kann nur im Rahmen der Verschwägertengemeinschaft gem. § 9 Abs. 5 SGB II und nicht der Bedarfsgemeinschaft gem. §§ 7 Abs. 3, 9 Abs. 2 SGB II berücksichtigt werden.

2. Nr. 9.43 der Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit zum SGB II sind nur eingeschränkt mit § 9 SGB II vereinbar.

3. Das Einkommen eines Stiefelternteils ist bei der Ermittlung des nach § 9 Abs. 5 SGB II verfügbaren Einkommens vorab um den Betrag zu reduzieren, der nach § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II für den Ehepartner und für die leiblichen Kinder anzusetzen ist.

 

Tenor

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 10. März 2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 261,53 EUR monatlich zu gewähren.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

I. Der Antragsteller begehrt im Wege vorläufigen Rechtsschutzes Leistungen zum Lebensunterhalt.

Der Antragsteller ist 16 Jahre alt und wegen seiner Behinderung erwerbsunfähig. Er lebt mit seiner Mutter und seinem Stiefvater zusammen. Sein Stiefvater hat ihn nicht adoptiert. Seine Mutter ist nicht erwerbstätig. Sein Stiefvater ist als Busfahrer angestellt.

Die Antragsgegnerin versagte dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II mit der Begründung, dass das Einkommen den Bedarf übersteige. Aus der dem Bescheid beigefügten Berechnung geht hervor, dass das Kindergeld für den Antragsteller und das (bereinigte) Nettoeinkommen des Stiefvaters als Gesamteinkommen für die drei Personen in Höhe von 1.558,67 EUR eingestellt wurden. Von diesem Gesamteinkommen wurden auf den Bedarf des Stiefvaters und der Mutter des Antragstellers jeweils 538,49 EUR und auf den Bedarf des Antragstellers 479,69 EUR angerechnet. Der Bedarf des Antragstellers wurde mit 441,91 EUR in Ansatz gebracht, so dass sich nach Anrechnung des auf ihn entfallenden Anteils des Gesamteinkommens für ihn kein Anspruch auf Sozialgeld mehr ergab.

Der Antragsteller, der gegen den ablehnenden Bescheid sogleich Widerspruch einlegte, hat einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Er macht geltend, dass er bis Ende Dezember 2004 Sozialhilfe in Höhe von 262,70 EUR bezogen habe und sich die tatsächlichen Verhältnisse seitdem nicht verändert hätten. Ferner gibt er an, sein Stiefvater sei nicht bereit und auch finanziell nicht in der Lage, auch noch seinen Lebensunterhalt voll zu bestreiten. Die bisher für ihn bezogene Sozialhilfe fehle in der Haushaltskasse. Ferner sei bei der Ermittlung des bereinigten Einkommens seines Stiefvaters unbeachtet geblieben, dass er eine Lebensversicherung abgeschlossen habe, auf die er monatlich 273,70 EUR einzahlen müsse. Außerdem sei sein Stiefvater noch andere finanzielle Verpflichtungen eingegangen, die schon über längere Zeit bestünden.

Die Antragstellerin tritt dem Eilantrag entgegen. Sie vertritt die Ansicht, dass das Einkommen des Stiefvaters auch auf den Bedarf des Antragstellers zu Recht uneingeschränt angerechnet worden sei und verweist auf die Durchführungshinweise zum SGB II der Bundesagentur für Arbeit, insbesondere auf die Regelung in Nr. 9.42. Danach sei das Einkommen von Partnern auf den Bedarf aller zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden minderjährigen unverheirateten Kinder anzurechnen. Bei § 9 Abs. 1 SGB II handele es sich um eine konkrete Anrechnungsregel. § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB II hätten mithin lediglich eine klarstellende Funktion. Dieses Ergebnis werde auch durch die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II gestützt.

Die Absetzung der Beiträge zur Lebensversicherung sei über den bereits von ihr berücksichtigten Pauschalbetrag von 30,– EUR hinaus nicht möglich, da es sich um eine freiwillige Versicherung handele und der Stiefvater gesetzlich rentenversichert sei. Die Absetzung von etwaigen Schulden des Antragstellers sei ebenfalls nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe

II. Der Antrag, mit dem die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung erstrebt wird, dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts in Höhe von 262,70 EUR monatlich zu bewilligen, hat überwiegend Erfolg.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 86b Abs. 2 SGG).

1. Der Antragsteller dürfte einen Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt in Höhe von 261,53 EUR monatlich haben. Dieser Betrag ergibt sich, da eine Anrechnung des Einkommens seines Stiefvaters auf seinen Bedarf nur im Rahmen des § 9 Abs. 5 SGB II möglich ist.

Der Antragsteller gehört zwar zu einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II, die aus ihm, seiner Mutter und seinem Stiefvater gebildet wird. Allein daraus folgt aber noch nicht, dass das Einkommen der Mitglieder dieser Gemeinschaft stets voll auf den Bedarf der ander...

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