Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens des mit dem Elternteil in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB 2

 

Orientierungssatz

1. § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB 2 in der seit dem 01.07.2006 geltenden Fassung, wonach bei der Bedarfsgemeinschaft unverheirateter Kinder mit einem Elternteil, der seinerseits mit einem Partner eine Bedarfsgemeinschaft bildet, bei den Kindern das Einkommen dieses Partners berücksichtigt wird, ist nicht verfassungswidrig.

2. Eine Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB 2 wird auch nicht dadurch begründet, dass die Kinder gegenüber dem Partner eines Elternteils keinen zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch haben.

 

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Den Antragstellern wird auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe für die erste Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. bewilligt.

3. Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II).

Die 1989, 1997 und 1999 geborenen Antragsteller leben mit ihrer Mutter und deren Ehegatten, ihrem Stiefvater, zusammen. Die Mutter studiert an der Universität I. und erhält Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).

Der Stiefvater der Antragsteller ist Eigentümer eines 120 m² großen Hauses in J., für welches noch Zins- und Tilgungsleistungen zu erbringen sind. Er ist als Servicetechniker tätig und erzielt dadurch ein monatlich wechselndes Einkommen. Er ist Vater einer minderjährigen Tochter (K.), für die er monatlich 249,00 € Unterhalt bezahlt. Diese Unterhaltsverpflichtung ist nicht tituliert.

Die Antragsgegnerin erbrachte den Antragstellern zunächst bis August 2006 Leistungen nach dem SGB II.

Am 17.11.2006 stellten die Antragsteller, vertreten durch ihre Mutter, einen Folgeantrag. Dieser Folgeantrag sollte rückwirkend zum 01.08.2006 gelten. Die Bescheidung dieses Antrags verweigerte die Antragsgegnerin zunächst mit der Begründung, dass nur die gesamte Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus den Antragstellern sowie deren Mutter und deren Ehegatten, einen Antrag stellen könne.

Am 08.01.2007 ersuchten die Antragsteller deshalb das Gericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Sie tragen zur Begründung vor, dass ihr Stiefvater ihnen nicht unterhaltsverpflichtet sei. Ihr Stiefvater unterstütze sie deshalb nicht. Ihr Stiefvater unterstütze lediglich ihre Mutter. Ihr Stiefvater habe Unterhaltsleistungen an dessen Kind in Höhe von 249,00 € monatlich zu erbringen. Außerdem entstünden ihm durch seine Erwerbstätigkeit hohe Kosten, u. a. durch Reisekosten, so dass nach Abzug seiner Verbindlichkeiten kein ausreichendes Einkommen verbleibe, um sie zu unterstützen.

Zwar bestimme § 9 Abs. 2 SGB II in der seit dem 01.07.2006 geltenden Fassung, dass das Einkommen von Stiefeltern beim Bedarf ihren Stiefkinder zu berücksichtigen sei, in einer verfassungskonformen Auslegung könnten jedoch nur solche Einkünfte zur Anrechnung gelangen, die auch tatsächlich geleistet würden.

Dem Antrag war eine eidesstattliche Versicherung des Stiefvaters der Kinder der Antragsteller beigefügt, wo dieser u. a. erklärt, dass er nicht bereit sei, den Antragstellern finanziell unter die Arme zu greifen.

Die Antragsteller beantragen,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragstellern jeweils Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ohne Berücksichtigung des Einkommens des Stiefvaters zu bewilligen,

hilfsweise, bei der Einkommensberechnung des Stiefvaters weitere Abzüge vorzunehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass das insofern richtig berechnete Einkommen des Stiefvaters zu berücksichtigen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen, die dem Gericht bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben.

II.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz richtet sich nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung nötig erscheint (Satz 2). Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist deshalb, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der Antragsgegnerin besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile müssen glaubhaft ...

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