Entscheidungsstichwort (Thema)

Übernahme der Kosten einer antiviralen Hepatitis C-Therapie nach den Vorschriften des Asylbewerbergesetzes

 

Orientierungssatz

1. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 AsylbLG ist einem Asylbewerber u. a. die zur Behandlung akuter Erkrankungen erforderliche ärztliche Behandlung zu gewähren. Eine Hepatitis C-Erkrankung ist keine akute Erkrankung in diesem Sinn.

2. Nach § 6 Abs. 1 S. 1 AsylbLG können sonstige Leistungen gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich sind.

3. Bei einer bestehenden Krebserkrankung wird die Nichtbehandlung einer Hepatitis C-Erkrankung zu einem Risiko, dass die Chemotherapie eines bestehenden Tumorrezidivs nicht erfolgreich verläuft. Dies führt zu einer Leistungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 AsylbLG.

4. Zwar ist § 6 Abs. 1 S. 1 AsylbLG als Ermessensnorm ausgestaltet. Weil eine andere Entscheidung des Leistungsträgers als eine Kostenübernahme nicht in Betracht kommt, liegt eine Ermessensreduzierung auf Null für die vom Asylbewerber begehrte antivirale Therapie der Hepatitis C-Erkrankung vor.

 

Tenor

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig die notwendigen Kosten für eine antivirale Therapie der Hepatitis C - Erkrankung des Antragstellers zu übernehmen.

2. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um das Vorliegen der Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten einer antiviralen Hepatitis C-Therapie nach den Vorschriften des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG).

Der 1964 geborene Antragsteller reiste Anfang Dezember 2015 gemeinsam mit seiner Ehefrau aus den Niederlanden kommend und ohne im Besitz eines Passes, Passersatzes oder Aufenthaltstitels zu sein, nach Deutschland ein. Am 09.12.2015 wandten sich der Antragsteller und seine Ehefrau an das Sozialamt in Warendorf und beantragten dort die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG. Weiterhin beantragten der Antragsteller und seine Ehefrau bei der Ausländerbehörde Warendorf die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis aus humanitären Gründen. Zur Begründung führten Sie an, dass sie aus Aserbaidschan stammten und staatenlos seien. Der Antragsteller und seine Ehefrau bestätigten insoweit in einem Beratungs- und Fragebogen des Kreises Warendorf (Bl. 41 ff. der Leistungsakte) ausdrücklich, in der Bundesrepublik Deutschland nur humanitäre Hilfe aus gesundheitlichen Gründen zu suchen (Bl. 43). Weiterhin führte der Antragsteller in dem vorgenannten Fragebogen (Bl. 45) an, an Hepatitis C sowie an Darmkrebs zu leiden. Seine Ehefrau führte an derselben Stelle des Fragebogens an, an einem psychischen Trauma zu leiden sowie, dass sie in den Niederlanden nicht habe behandelt werden können, da sie und der Antragsteller dort kein Aufenthaltsrecht gehabt hätten. Der vorgenannte Fragebogen wurde dem Antragsteller und seiner Ehefrau von einem Dolmetscher übersetzt und von beiden durch eigenhändige Unterschrift am 29.01.2016 als wahrheitsgemäß und vollständig bestätigt. Dass die Behandlung der Erkrankungen des Antragstellers und seiner Ehefrau deren prägendes Motiv zur Einreise in die Bundesrepublik Deutschland war, wurde sodann nochmals in zwei Widerspruchsschreiben des Verfahrensbevollmächtigten vom 15.09.2016 (Bl. 3 der Widerspruchsakte) und vom 05.06.2017 (Bl. 20 der Widerspruchsakte) bestätigt.

Nachdem der Antragsteller und seine Ehefrau mit Verteilungsbescheid der Bezirksregierung Arnsberg vom 13.05.2016 der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen zugewiesen wurden und sodann mit Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt zum 18.07.2016 dem Landkreis Fulda zugewiesen wurden, beantragten beide dort die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG, welche daraufhin gewährt wurden. Dem Antragsteller und seine Ehefrau, welche über keinen eigenen Krankenversicherungsschutz verfügen, wurden und werden insoweit auch Leistungen nach § 4 AsylbLG gewährt. Die Ausländerbehörde des Landkreises Fulda erteilte dem Antragsteller und seiner Ehefrau fortan befristete Duldungen, welche jeweils verlängert wurden. Aktuell wurde die Abschiebung des Antragstellers und seiner Ehefrau bis zum 06.09.2018 ausgesetzt und erneut entsprechende Duldungen erteilt (Bl. 48 der Gerichtsakte).

Mit Bescheid vom 05.12.2016 (Bl. 43 der Krankenhilfeakte, Teil 1) lehnte der Antragsgegner nach vorheriger Einholung einer amtsärztlichen Stellungnahme seines Gesundheitsamtes einen Antrag des Antragstellers vom Oktober 2016 mit dem Begehren der Kostenübernahme für die Durchführung einer Therapie der chronischen Hepatitis C-Erkrankung mit der Begründung ab, dass weder die Voraussetzungen des § 4 AsylbLG noch die Voraussetzungen des § 6 AsylbLG erfüllt seien. Der hiergegen am 04.01.2017 durch den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers erhobene Widerspruch (Bl. 13 der Widerspruchsakte) wurde durch die zuständige Widerspruchsbehörde, das Regierungspräsidium Kassel, noch nicht beschieden.

Mit Schreiben seines Verfahrensbevo...

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