Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Prozesskostenhilfe. beigeordneter Rechtsanwalt. berücksichtigungsfähiger Zeitraum bei der Bestimmung des vergütungsrelevanten Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit. Tätigkeiten zwischen PKH-Antragstellung und Beiordnungszeitpunkt

 

Leitsatz (amtlich)

Im Falle der Vergütung eines Rechtsanwalts aus der Staatskasse infolge der Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind Tätigkeiten, die nach PKH-Antragstellung und während des PKH-Bewilligungsverfahrens erbracht werden, bei der Beurteilung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit gem. § 14 Abs. 1 RVG von Verfassungs wegen grundsätzlich zu berücksichtigen (im Anschluss an SG Fulda, Beschluss vom 19. März 2012 - S 4 SF 51/11 E).

 

Tenor

Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 26. Mai 2010 für das Verfahren S 10 AS 73/09 wird abgeändert und die der Erinnerungsführerin aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf 476,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen des vor dem SG Fulda geführten Verfahrens S 10 AS 73/09 aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung.

Dem Erinnerungsverfahren liegt das vorbezeichnete Verfahren zugrunde. In diesem Verfahren hatte die Erinnerungsführerin namens und im Auftrag des Klägers mit Schriftsatz vom 27. März 2010, der am selben Tag bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen war, Klage erhoben und zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Person beantragt. In der Klageschrift selbst war die Klage auch bereits (kurz) begründet worden.

Am 30. März 2010 ging das von dem Kläger des Ausgangsverfahrens am 25. März 2010 unterzeichnete Formular mit seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei dem Sozialgericht Fulda ein, woraufhin der Kammervorsitzende noch mit Beschluss von selben Tag Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Erinnerungsführerin ab dem 30. März 2010 gewährte.

Das Verfahren fand seinen erstinstanzlichen Abschluss durch klageabweisenden Gerichtbescheid vom 22. April 2010. Die zunächst hiergegen erhobene Berufung nahm der Kläger unter dem 28. Februar 2011 zurück.

Bereits zuvor hatte die Erinnerungsführerin mit Datum vom 20. Mai 2010 die Festsetzung ihrer Gebühren und Auslagen gegen die Staatskasse wie folgt beantragt:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG

300,00 EUR

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG

200,00 EUR

Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Dokumentenpauschale, Nr. 7000 VV RVG

5,00 EUR

Zwischensumme

525,00 EUR

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

99,75 EUR

624,75 EUR

Demgegenüber setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vergütung unter dem 26. Mai 2010 wie folgt fest:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG

40,00 EUR

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG

150,00 EUR

Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Zwischensumme

210,00 EUR

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

39,90 EUR

249,90 EUR.

Zur Begründung verwies der Urkundsbeamte darauf, dass im Beiordnungszeitraum der Erinnerungsführerin lediglich das Formblatt betreffend die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers des Ausgangsverfahrens vorgelegt worden sei; weiter kostenauslösende Handlungen hätten nicht vorgelegen. Daher werde die Verfahrensgebühr im Hinblick auf § 14 RVG auf 40 EUR festgesetzt. Da vorliegend nur eine fiktive Terminsgebühr angefallen sei, müsse diese unter Berücksichtigung des Aufwands auf 150 EUR festgesetzt werden. Letztlich seien auch keine Schreibauslagen im Beiordnungszeitraum erkennbar, die Anfertigung von Kopien rechtfertige nicht aus sich heraus deren Notwendigkeit.

Hiergegen hat die Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vom 8. Juli 2010 Erinnerung erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass im Anwendungsbereich der Betragsrahmengebühren die anwaltliche Tätigkeit nicht teilbar sei. Vielmehr müsse das gesamte Verfahren ab Antragstellung betrachtet werden. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Bedürftigkeit des Klägers sich wie in einem Streit über Grundsicherungsleistungen aus der Akte selbst ergebe.

Hinsichtlich der fiktiven Terminsgebühr müsse regelmäßig von der Mittelgebühr ausgegangen werden, weil jede sonstige Einschätzung einer theoretischen Dauer spekulativ sei.

Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,

ihr unter Abänderung der angegriffenen Kostenfestsetzung vom 26. Mai 2010 die Vergütung entsprechend dem Antrag vom 20. Mai 2010 festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Erinnerung zurückzuweisen und die Gebühren auf insgesamt 190,40 EUR festzusetzen.

Zur Begründung führt er aus, dass die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger des Ausgangsverfahrens als durchschnittlich bezeichnet werden müsse, während der Umfang und die Schwierigkeit unterdurchschnittlich eingestuft werden müsse, da nur der Beiordnungszeitraum der Erinnerungsführer betrachtet werden könne. Letztlich sei die halbe Mittelgebühr im Falle einer fiktiven Terminsgebühr angem...

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