Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Prozesskostenhilfe. beigeordneter Rechtsanwalt. berücksichtigungsfähiger Zeitraum bei der Bestimmung des vergütungsrelevanten Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit. Tätigkeiten vor PKH-Antragstellung

 

Leitsatz (amtlich)

Im Falle der Vergütung eines Rechtsanwalts aus der Staatskasse infolge der Bewilligung von Prozesskostenhilfe dürfen Tätigkeiten, die vor PKH-Antragstellung erfolgt sind, bei der Beurteilung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit gem § 14 Abs 1 RVG nicht berücksichtigt werden; ob und unter welchen Umständen Tätigkeiten, die außerhalb des Beiordnungszeitraums, aber während des PKH-Bewilligungsverfahrens erbracht werden, de lege lata berücksichtigungsfähig sind, bleibt offen (Aufgabe von SG Fulda vom 25.7.2011 - S 3 SF 27/10 E = ASR 2011, 213).

 

Tenor

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen des vor dem SG Fulda geführten Verfahrens S 6 SB 17/10 aus der Staatskasse zu gewährenden Gebühren und Auslagen.

Dem Erinnerungsverfahren liegt das Klageverfahren S 6 SB 17/10 zugrunde. In diesem Verfahren fand am 9. Mai 2011 ein Erörterungstermin statt, der ausweislich des Sitzungsprotokolls von 8.30 bis 9.00 Uhr dauerte. Nachdem der Erinnerungsführer im Termin ein ärztliches Attest zur Akte gereicht hatte, wurde der Sachverhalt durch die Vorsitzende mit den Anwesenden erörtert. Anschließend beantragte er, dem Kläger des Ausgangsverfahrens unter Beiordnung seiner Person Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren, und legte hierzu dem Gericht den aktuellen Leistungsbescheid für den Kläger nach dem SGB XII vor.

Daraufhin erließ die Vorsitzende einen Beschluss mit folgendem Wortlaut:

“Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. ab dem 09.05.2011 bewilligt.„

Anschließend erklärte der Erinnerungsführer namens des Klägers die Klagerücknahme.

In der Folge beantragte der Erinnerungsführer, seine Vergütung wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG

170,00 EUR

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG

200,00 EUR

Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Dokumentenpauschale, Nr. 7000 VV RVG

8,50 EUR

Zwischensumme

398,50 EUR

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

75,72 EUR

474,22 EUR

Demgegenüber setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. November 2011 die Vergütung wie folgt fest:

Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG

85,00 EUR

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG

100,00 EUR

Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Zwischensumme

205,00 EUR

19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG

38,95 EUR

243,95 EUR.

Zur Begründung verwies der Urkundsbeamte darauf, dass der Prozesskostenhilfenantrag erst am Ende der mündlichen Verhandlung gestellt worden sei. Daher erscheine die hälftige Mittelgebühr als angemessen, die beantragte Vergütung sei somit unbillig. Gleiches gelte für die beantragte Terminsgebühr. Die Dokumentenpauschale könne ebenfalls nicht geltend gemacht werden, da die Kopien vor dem Beiordnungszeitraum gefertigt worden seien.

Hiergegen hat der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 22. November 2011, bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen am 24. November 2011, Erinnerung eingelegt und verweist zur Begründung auf den Beschluss des SG Fulda vom 25. Juli 2011 (S 3 F 27/10 E).

Die Vertreterin der Staatskasse hat in ihrer Stellungnahme vom 2 Januar 2012 die Festsetzung der Verfahrensgebühr durch den Urkundsbeamten verteidigt, ebenso die Ablehnung der Festsetzung der Dokumentenpauschale, dies allerdings mit der Begründung, dass die Notwendigkeit der Kopieanfertigung nicht dargetan worden sei.

Hinsichtlich der Terminsgebühr hält die Vertreterin der Staatskasse hingegen aufgrund der Gesamtdauer des Erörterungstermins von 30 Minuten den Gebührenansatz von 200 EUR nach Nr. 3106 VV RVG für nicht unbillig. Daher befürwortet sie eine Vergütungsfestsetzung in Höhe von insgesamt 362,95 EUR.

In seiner abschließenden Stellungnahme vom 13. März 2012 beantragte der Erinnerungsführer die Festsetzung gemäß der Auffassung der Vertreterin der Staatskasse.

II.

Die zulässige Erinnerung ist nicht begründet. Die Vergütungsfestsetzung des Urkundsbeamten ist nicht zu beanstanden. Dies gilt entgegen der Auffassung der Vertreterin der Staatskasse auch für die Terminsgebühr.

Gem. § 3 Abs. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das GKG nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des SGG genannten Personen gehört. Da der Kläger des Ausgangsverfahrens zu dem Kreis der Personen nach § 183 SGG zählt und das GKG somit nicht anwendbar ist, entstehen vorliegend Betragsrahmengebühren.

Gem. § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rech...

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