Leitsatz (amtlich)

Zur Anfechtungsbefugnis im Rahmen einer defensiven Konkurrentenschutzklage gegen eine Sonderbedarfszulassung.

 

Orientierungssatz

Parallelentscheidung zum Urteil des SG Saarbrücken vom 18.4.2007 - S 2 KA 84/06, das vollständig dokumentiert ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.10.2012; Aktenzeichen B 6 KA 40/11 R)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die gesamten Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen Dr. Sch..

Die Klägerin betreibt eine Gemeinschaftspraxis in der S.. Die Dres. D. und H. sind Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt "Nephrologie". Frau M.-S. ist "Praktische Ärztin". Die Klägerin betreibt in der Trierer Straße ein Dialysezentrum und eine Diabetologische Schwerpunktpraxis.

Der Beklagte hat mit Beschluss vom 28.08.2002, dem Internisten Dr. Sch. eine Sonderbedarfszulassung mit dem Vertragsarztsitz S. zur gemeinsamen Ausübung mit dem Nephrologen Dr. H.-G. H. und Dr. I. H. erteilt.

Gegen den oben genannten Beschluss hat die Klägerin Widerspruch eingelegt und im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die dem Internisten Dr. Sch. erteilte Sonderbedarfszulassung sei zu Unrecht erfolgt. Es bestehe kein nephrologischer Versorgungsbedarf, der nicht schon durch die "Vollzulassungen" gedeckt sei. Es bestehe weder eine quantitative noch qualitative Unterversorgung im Sinne der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte. Weder ihre eigene Praxis, noch die in P. bestehende Praxis Dres. F./Sch./L. sei ausgelastet. Das gleiche gelte daher wahrscheinlich auch für die Praxis der Dres. H./H.. Solange bestehende Dialysepraxen nicht ausgelastet seien, dürften neue Ärzte für eine Dialysepraxis nicht zugelassen werden. Das ergebe sich letztlich schon aus § 6 Abs. 1 der Anlage 9.1 der Verträge zur Änderung der Bundesmantelverträge über besondere Versorgungsaufträge für die nephrologische Versorgung chronisch niereninsuffizienter Personen vom 22.03.2002, wonach die Zulassung neuer Dialysepraxen in der Versorgungsregion mit den Forderungen einer wirtschaftlichen Versorgungsstruktur so lange nicht vereinbar sei, als bestehende Dialysepraxen weniger als 90 % der Höchstpatientenzahl nach dem so genannten Arzt-Patienten-Schlüssel versorgten. Da im Falle Dr. Sch. keine ökonomisch sinnvolle Versorgungsstruktur vorhanden gewesen sei, habe dessen Zulassung für die nur 10 km Luftlinie von ihrer Praxis entfernten Dialyseeinrichtung nicht erfolgen dürfen. Auch die Qualitätssicherungsvereinbarung habe die Zulassung eines weiteren Arztes nicht notwendig gemacht, da es danach nicht genüge, dass der Arzt-Patienten-Schlüssel erfüllt werde, sondern ein Bedarf im Planungsbereich bestehe. Für ihren Widerspruch habe sie auch ein Rechtsschutzinteresse, weil sie in demselben Planungsbereich mit einem neu hinzugekommenen Leistungsanbieter konkurrieren müsste. Insoweit beriefe sie sich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das einem niedergelassenen Arzt ein Rechtsschutzinteresse dafür zuerkannt habe, sich gegen die Ermächtigung von Krankenhausärzten zu wehren. In ihrem Falle sei die Sachlage vergleichbar.

In seiner Widerspruchserwiderung vom 26.7.2006 beruft sich der Internist Dr. Sch. im Wesentlichen darauf, dass er einen Anspruch auf Sonderbedarfszulassung habe, da ihm die Kassenärztliche Vereinigung Saarland einen Versorgungsauftrag nach der oben genannten Anlage 9.1 der Verträge zur Änderung der Bundesmantelverträge zugesichert habe.

Mit Bescheid vom 29.8.2006 hat der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen.

Zur Begründung führte er aus, der Widerspruch sei unzulässig. Denn der Klägerin fehle hierfür das notwendige Rechtsschutzinteresse.

Das Rechtsschutzinteresse setze die Beeinträchtigung einer Rechtsposition und die Rechtswidrigkeit des Behördenverhaltens voraus. Vorliegend fehle es schon an der Beeinträchtigung der Klägerin durch den Zulassungsausschuss. Denn der Zulassungsausschuss habe ihr gegenüber gar keine Entscheidung getroffen. Nach § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB V könnten die beteiligten Ärzte den Berufungsausschuss nur gegen Entscheidungen des Zulassungsausschusses anrufen. Eine solche Entscheidung sei gegenüber der Klägerin nicht ergangen. Sie sei nicht Adressat eines Verwaltungsaktes des Zulassungsausschusses.

Auch die Herrn Dr. Sch. begünstigende Entscheidung einer Sonderbedarfszulassung enthalte keinen Eingriff in die Rechtsposition der Klägerin mit der Folge, dass ihr ein Rechtsschutzinteresse für ihren Rechtsbehelf zuzubilligen wäre. Die Herrn Dr. Sch. durch den angefochtenen Beschluss erteilte Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung habe die Rechtsposition der Klägerin nicht beeinträchtigt.

Für die Bejahung eines Rechtsschutzinteresses wäre aber ein solcher Eingriff in ein rechtlich geschütztes Individualinteresse der Klägerin notwendig. Das Individualinteresse sei rechtlich geschützt, wenn eine Rechtsnorm nicht nur dem Allgemeininteresse dienen solle, sondern allein oder auch dem Individualinteresse. (vgl. M...

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