Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgeld. Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Laktoseintoleranz eines minderjährigen Kindes

 

Orientierungssatz

1. Voraussetzung für die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung sind krankheitsbedingte Gründe, die eine Ernährung erfordern, deren Kosten aufwändiger sind als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall ist (vgl BSG vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 12).

2. Eine laktosefreie Vollkost wegen nachgewiesener Laktoseintoleranz kann - zumindest seit der Neubemessung der Regelbedarfe ab 1.1.2011 - auch bei Kindern und Jugendlichen keinen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bedingen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.02.2013; Aktenzeichen B 14 AS 48/12 R)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Mehrbedarf wegen der Lactoseintoleranz der Klägerin zu 2).

Die Klägerin zu 1) lebt mit ihrer minderjährigen Tochter .., der Klägerin zu 2), in .. Die beiden beziehen vom Beklagten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Die Klägerin zu 2) leidet nachgewiesenermaßen unter Lactose-Intoleranz.

Am 27.12.2010 beantragten die Klägerinnen beim Beklagten die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen der Laktose-Intoleranz der Klägerin zu 2). Dem Antrag fügten sie ein ärztliches Attest der Frau Dr. .., Ärztin für Kinder- und Jugendmedizin, F. bei, in welchem u.a. ausgeführt wird, die Klägerin zu 2) dürfe Milch und Milchprodukte nicht oder nur in sehr kleinen Mengen zu sich nehmen. Sie sei auf lactosefreie Diätnahrung angewiesen, die teurer sei als normale Milchprodukte.

Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 07.01.2011 ab und begründete seine Entscheidung damit, dass die Krankheit der Klägerin nicht in dem Katalog enthalten sei, der einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung rechtfertige. Die evtl. anfallenden höheren Kosten seien aus der Regelleistung zu erbringen.

Den hiergegen am 10.01.2011 eingelegten Widerspruch der Klägerinnen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2011 zurück. Leide man unter Laktose-Intoleranz, seien laktosehaltige Nahrungsmittel zu meiden bzw. zu reduzieren, wodurch keine gravierend höheren Kosten entstünden.

Die Klägerinnen haben am 25.03.2011 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben. Sie sind der Meinung, dass die Diagnose Laktose-Intoleranz zu höheren Kosten für Ernährung und damit zu einem Anspruch auf die Gewährung ernährungsbedingten Mehrbedarfs führe und verweisen auf entsprechende Entscheidungen des SG Bremen und des SG Freiburg. Ein genauer Betrag lasse sich jedoch nicht beziffern. In hiesigen Breitengraden könne insbesondere bei Kindern nur schwer auf Milchprodukte verzichtet werden, da eine Ernährung hiermit üblich sei.

Die Klägerinnen beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 07.01.2011 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 02.03.2011 zu verurteilen, der Klägerin zu 2) Mehrbedarf wegen Lactoseintoleranz in angemessener Höhe zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ein Mehrbedarf entstehe bei Laktose-Intoleranz nicht. Es sei möglich, sich auch ohne die Verwendung von Milchprodukten ausgewogen zu ernähren. Dies zeige sich schon daran, dass ein großer Teil der Weltbevölkerung nicht in der Lage sei, Laktose zu verwerten. Im Übrigen sei die Klage der Klägerin zu 1) unzulässig, da es sich bei den Mehrbedarfen um Individualansprüche handle.

Zur Darstellung des Sachverhalts wird im Übrigen auf den Inhalt der Gesamtakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage der Klägerin zu 1) ist unzulässig. Es fehlt an der Klagebefugnis, da die Klägerin zu 1) durch die ablehnende Entscheidung des Beklagten nicht beschwert ist. Dies folgt daraus, dass Inhaber eines etwaigen Anspruchs auf Gewährung von Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung stets nur derjenige sein kann, der in seiner Person die Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt (vgl. Lang/Knickrehm in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 21 Rndr.11). Mit der vorliegenden Klage wird jedoch ausschließlich ein Mehrbedarf für die Klägerin zu 2) geltend gemacht.

Die Klage der Klägerin zu 2) ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 07.01.2011 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 02.03.2011 ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf die Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs wegen Lactoseintoleranz in angemessener Höhe.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 21 Abs.5 SGB II. Danach wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordert, deren Kosten aufwändiger sind als dies für Personen ohne diese Einsc...

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