Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattung für eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Übersendung eines Rehabilitationsantrags innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung. Weiterleitung iS des § 14 Abs 1 S 2 SGB 9

 

Orientierungssatz

1. Auch die Abgabe eines Antrages auf Leistungen zur Teilhabe innerhalb der in verschiedene eigenständige Körperschaften aufgespaltenen "Rentenversicherung" ist eine Weiterleitung iS des § 14 Abs 1 S 2 SGB 9.

2. Der Umfang des Erstattungsanspruchs des zweitangegangenen unzuständigen Leistungsträgers richtet sich gemäß § 14 Abs 4 S 1 SGB 9 - wie außerhalb des § 14 SGB 9 bei einem vorläufig leistenden Leistungsträger - nach den für den zweitangegangenen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (vgl BSG vom 26.6.2007 - B 1 KR 34/06 R = BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4).

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation.

Die 1967 geborene G. M. (im Folgenden: Versicherte) ist selbständige Berufsbetreuerin und bei der Beklagten krankenversichert. Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtete sie zuletzt bis 22. November 2002. Am 15. Juli 2005 beantragte die Versicherte bei der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA - jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) mit einem ihr von der Beklagten zur Verfügung gestellten Antragsvordruck der BfA eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Die behandelnde Gemeinschaftspraxis Facharzt für Orthopädie Dr. S./Fachärztin für Chirurgie Dr. Gräfin von L. gab in einem Befundbericht vom 9. Juli 2005 an, die Versicherte leide an Lumbalgie L5/S1 mit Schmerzausstrahlung im Dermatom S1 rechts sowie Taubheit der rechten Wade und Fußsohle. Die bisherige Therapie habe in der Gabe von Nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) und zwölf Mal Krankengymnastik bestanden.

Die BfA leitete den Antrag an die Klägerin (damals: Landesversicherungsanstalt Hessen) weiter (Eingang am 12. August 2005). Die Klägerin bewilligte mit Bescheid vom 23. August 2005 eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation in der Klinik K. in Bad S., die vom 27. September 2005 bis 18. Oktober 2005 wegen Belastungsminderung der Lendenwirbelsäule bei Lumboischialgien rechts bei Bandscheibenprolaps L5/S1 und dorso-medialer Bandscheibenprotrusion L4/5 durchgeführt wurde.

Mit Schreiben vom 23. Mai 2006 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 3.094,05 € gemäß § 14 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) geltend, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger bei Antragstellung nicht vorgelegen hätten. Die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung mit Schreiben vom 3. Juli 2006 mit der Begründung ab, dass der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) keinen Rehabilitationsbedarf festgestellt habe. Das Ausschöpfen der Heilmittel am Wohnort sei vorrangig und ausreichend gewesen (Stellungnahme vom 29. Juni 2006).

Mit der am 30. August 2006 beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter. Sie ist der Auffassung, aufgrund der Weiterleitung des Antrags durch die unzuständige BfA sei die Klägerin zweitangegangener Träger geworden. § 14 Abs. 4 SGB IX sei eine reine Erstattungsvorschrift und räume der Beklagten kein Recht auf Überprüfung des Rehabilitationsbedarfs ein. Die Feststellungen hinsichtlich des Rehabilitationsbedarfs, der Art und des Umfangs der Leistung treffe allein der zweitangegangene und somit faktisch zur Vorleistung verpflichtete Träger. Unter Zugrundelegung der nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) maßgebenden Vorschriften sei sie der unzuständige Leistungsträger, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 SGB VI nicht vorlägen. Die Versicherte habe zwar die allgemeine Wartezeit erfüllt, sie sei aber weder vermindert erwerbsfähig noch sei dies in absehbarer Zeit zu erwarten gewesen.

Die Klägerin beantragt,

1.)

die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten in Höhe von 3.094,05 € der stationären Rehabilitation der Versicherten G. M. vom 27. September 2005 bis 18. Oktober 2005 zu erstatten,

2.)

die Sprungrevision, hilfsweise die Berufung zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Klägerin sei erstangegangener Rehabilitationsträger. Die Weiterleitung eines Antrags auf Rehabilitation innerhalb der Rentenversicherung sei keine Weiterleitung im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX. Auch sei die Notwendigkeit für die Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme nicht gegeben, da die ambulanten Maßnahmen am Wohnort nicht ausgeschöpft worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und...

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