Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss der Gewährung einer Altersrente aus der Altershilfe für Landwirte mangels Erfüllung der Wartezeit. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Landwirte haben nach § 11 S. 1 ALG Anspruch auf Regelaltersrente, wenn sie u. a. die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben. Nach § 90 Abs. 1 S. 1 ALG werden Beitragszeiten vor dem 1. 1. 1995 auf die Wartezeit nur angerechnet, wenn der Versicherte u. a. mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres anrechenbare Beitragszeiten zurückgelegt hat.

2. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß. Insbesondere liegt kein Eingriff durch das ALG in eine nach Art. 14 GG geschützte Rechtsposition vor.

3. Die grundsätzlich beitragsunabhängige Leistungshöhe bei relativ niedrigen Beiträgen und hohem Beitragszuschuss lässt eine lange Wartezeit von 180 Monaten und die Aufrechterhaltung der Beitragszahlung auch für ausgeschiedene Landwirte noch verhältnismäßig erscheinen.

4. Die strukturellen Unterschiede in der gesetzlichen Rentenversicherung als Versicherung der unselbständigen Versicherten einerseits und der Alterssicherung der landwirtschaftlichen Unternehmer andererseits rechtfertigen die unterschiedliche Ausgestaltung der Systeme.

5. Ist der Landwirt rechtzeitig und klar auf die Möglichkeit der Weiterentrichtung von Beiträgen hingewiesen worden und hat er davon keinen Gebrauch gemacht, so ist die Gewährung einer Altersrente im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ausgeschlossen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.05.2020; Aktenzeichen B 10 LW 4/19 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der Gewährung einer Altersrente mangels Erfüllung der Wartezeit.

Die am 29.05.19xx geborene Klägerin hat im Zeitraum 01.06.1979 bis zum 31.10.1986 insgesamt 89 Monate als selbständige Landwirtin Pflichtbeiträge in die landwirtschaftliche Alterskasse eingezahlt. Auf Anfrage hin wurde der Klägerin im Jahre 1986 ein Merkblatt übersandt. Mit Bescheid vom 18.10.1988 stellte die Beklagte die Beendigung der Mitgliedschaft und den Wegfall der Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse fest. Darin heißt es unter anderem: "Wir machen darauf aufmerksam, dass ein Altersgeld nur gewährleistet ist, wenn unter anderem mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres und für mindestens 180 Kalendermonate Beiträge an die landwirtschaftliche Alterskasse gezahlt wurden. Wir empfehlen Ihnen deshalb dringend, über den oben genannten Zeitpunkt hinaus Beiträge gemäß § 27 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) freiwillig weiter zu entrichten."

Beiträge wurden in der Folgezeit nicht mehr gezahlt. Die seit November 1986 überzahlten Beiträge wurden der Klägerin erstattet.

Im Jahr 1989 beantragte die Klägerin die Ausstellung einer Bescheinigung über bisher gewährte Leistungen aus der Alterskasse. Diese benötige sie zur Disponierung ihrer Altersvorsorge (hier: Beitragsnachentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung). Mit Schreiben vom 29.03.1989 wurde der Klägerin daraufhin mitgeteilt, dass sie für den Fall, dass sie bei einer eventuellen Nachentrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung einen Zuschuss von der landwirtschaftlichen Alterskasse in Anspruch nehme, gemäß § 48 Abs. 1 GAL aus der landschaftlichen Alterskasse ausscheide. Gemäß § 48 Abs. 2 GAL müssten ihr die als landwirtschaftlicher Unternehmer eingezahlten Beiträge von Amts wegen erstattet werden. Da Leistungen auf Kosten der Alterskasse nicht gewährt worden seien, könnten die entrichteten Beiträge erstattet werden.

Sodann enthält die Akte keine weiteren Einträge mehr.

Die Klägerin hatte sich zwischenzeitlich am 30.01.1990 bei der Landwirtschaftskammer Rheinland, Kreisstelle K. über die "Erstattung der Beiträge der Alterskasse bei Zuschussgewährung zur Nachentrichtung von Beiträgen" beraten lassen. Die Gesamtkosten der Nachentrichtung betrugen danach 30.718 DM. Die mögliche Alterskassenerstattung hätte danach 9.207,20 DM, der seitens der Beklagten zu zahlende Zuschuss von 70 % 21.502,60 DM betragen. Mit Zuschuss und Erstattung dieser Beiträge wäre hiernach zu den Gesamtkosten der Nachentrichtung demnach nur noch ein Zuzahlungsbetrag von einmalig 8,20 DM angefallen. Hieraus hätte sich laut Auskunft ein Rentenanspruch ab 65. Lebensjahr in Höhe von 346,11 DM je Monat ergeben.

Im Jahre 2014 bat die Klägerin um Prüfung eines Rentenanspruchs. Mit Schreiben vom 06.05.2014 teilte die Beklagte mit, dass die Wartezeit für den möglichen Bezug einer Rente aus der landwirtschaftlichen Alterskasse mangels Weiterentrichtung der Beiträge nicht erfüllt sei. Daraufhin übersandte die Klägerin per Mail einen Auszug aus dem Vorlagebeschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17.03.2010 - L 2 LW 5/09, wonach dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt werde, ob die Regelungen in § 90 Abs. 1 und 93 Abs. 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) gegen die Grundrechte der B...

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