Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft für einen geduldeten Ausländer

 

Orientierungssatz

1. Die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft setzt u. a. voraus, dass der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Grundsätzlich genügt hierzu dessen Duldung nicht. Ausnahmsweise genügt bei einem Ausländer ein nicht nur vorübergehendes Verweilen dann, wenn er nicht mit seiner Abschiebung in sein Heimatland zu rechnen braucht, weil der Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die er nicht zu vertreten hat.

2. Die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft setzt weiter voraus, dass sich der Betroffene rechtmäßig in Deutschland aufhält. Es genügt, wenn sich ein Ausländer nur geduldet seit Jahren in Deutschland aufhält, ein Ende des Aufenthalts unabsehbar ist und die Ausländerbehörde gleichwohl keine Aufenthaltsbefugnis erteilt.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 02.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2004 verurteilt, bei dem Kläger einen GdB von 50 ab Antragstellung festzustellen. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung als Schwerbehinderter.

Der am 06.09.1951 in Kosovska/Jugoslawien (Kosovo) geborene Kläger ist serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger und gehört dem Volke der Roma an. Er ist im Dezember 1998 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Sein Asylerstantrag und weitere Folgeanträge blieben erfolglos. Der Oberbürgermeister der Stadt Oberhausen erteilt ihm seitdem fortlaufend aufeinander folgende, in der Regel auf zwei Monate befristete Duldungen. Zuletzt war der Kläger im Besitz einer bis zum 05.03.2007 ausgesprochenen Duldung. Ausweislich der Nebenbestimmungen erlischt diese jedoch unabhängig von ihrer Gültigkeit mit Feststellung der Reisefähigkeit und Bekanntgabe eines Rückführungstermins.

Am 16.09.2003 beantragte der Kläger die Feststellung einer Behinderung, des Grades der Behinderung (GdB) sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche "erhebliche Gehbehinderung" (G), "außergewöhnliche Gehbehinderung" (aG) sowie "Notwendigkeit ständiger Begleitung" (B). Als festzustellende Gesundheitsstörungen gab der Kläger eine Herz- und eine Lungenerkrankung sowie Durchblutungsstörungen und Gelenkbeschwerden an. Dem Antrag beigefügt waren u.a. eine ärztliche Bescheinigung des Internisten Dr. F. vom 14.01.2003, wonach bei dem Kläger eine Kardiomyopathie und Bluthochdruck bestünden, sowie Befundberichte des Neurologen und Psychiaters Dr. M. und des Kardiologen Dr. O ... In seinem Bericht vom 12.09.2003 führte Dr. M. aus, beim Kläger zeige sich eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik in Form von Unruhe, Ängsten und Verlust der Kontrolle. Ferner bestünden multiple körperliche Beschwerden, die wahrscheinlich in der Angst vor der ungewissen Zukunft und der drohenden Abschiebung begründet seien. Dr. O. diagnostizierte in seinem Bericht vom 15.04.2003 u.a. eine geringgradige koronare Herzkrankheit mit noch normaler systolischer Funktion, eine arterielle Hypertonie sowie einen Diabetes mellitus Typ II.

Der Beklagte holte zusätzlich Befundberichte des Allgemeinmediziners Dr. S. und des Internisten Dr. F. ein. Dr. S. teilte unter dem 25.09.2003 u.a. folgende Diagnosen mit: Retropatellararthrose, Kapselspreizung des Schultergelenks, Gonalgie, Diabetes mellitus Typ IIb sowie arterielle Hypertonie. Beigefügt war ein Befundbericht des Radiologen B., der über eine röntgenologische Untersuchung vom 15.09.2003 berichtete, wonach am Thorax und an den Thoraxorganen sowie am Schultergelenk kein krankhafter Befund und am Kniegelenk ein unauffälliger Befund festgestellt werden konnte. Dr. F. teilte unter dem 17.11.2003 u.a. mit, dass bei dem Kläger in Jugoslawien eine Kardiomyopathie festgestellt worden sei. Darüber hinaus bestünden eine geringgradige koronare Herzkrankheit, eine Hypertonie sowie eine diabetische Stoffwechsellage. Beigefügt war ein Befundbericht des Radiologen Dr. W., der über eine computertomographische Untersuchung des Thorax vom 06.08.2002 berichtete, wobei vermehrtes mediastinales Fettgewebe bei im Übrigen regelgerechten Thoraxorganen festgestellt wurde.

Nach versorgungsärztlicher Auswertung sämtlicher Befundberichte durch den Sozialmediziner Dr. Sch. stellte der Beklagte mit Bescheid vom 02.02.2004 einen GdB von 40 fest. Dabei wurden folgende Funktionsbeeinträchtigungen als anerkannte Behinderungen benannt und ausweislich der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Sch. vom 30.11.2003 im Einzelnen wie folgt bewertet:

1.Psychische Behinderung mit körperlichen Beschwerden Einzel-GdB 30 2.Herzmuskelerkrankung, Bluthochdruck, koronare Herzerkrankung Einzel-GdB 20 3.Kniegelenksverschleiß Einzel-GdB 10 4.Zuckerkrankheit Einzel-GdB 10.

Mit dem hiergegen mit Schreiben vom 01.03.2004 erhobenen Widerspruch machte der Kläger eine zu niedrige Bewertung des GdB geltend. Er sei durch das Zusammenspiel aller Beh...

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