Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen der Unfallversicherung. Entschädigung einer Krankheit wie eine Berufskrankheit nach § 551 Absatz 2 RVO ab dem Zeitpunkt des gesicherten Vorliegens neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse

 

Orientierungssatz

1. Gemäß § 551 Abs. 2 RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfalle eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

2. Voraussetzung für eine Entschädigung ist somit die Feststellung des Vorliegens neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse durch den Träger der Unfallversicherung. Neu sind solche medizinischen Erkenntnisse, die nach Erlass der letzten Berufskrankheitenliste bekannt geworden und deshalb bei der geltenden Verordnung nicht berücksichtigt worden sind.

3. Die Rückwirkungsregelung des § 6 Absatz 1  BKVO erfasst wegen des Gleichheitsgrundsatzes solche Sachverhalte nicht, bei denen ein vor dem Inkrafttreten der BKVO am 1. Dezember 1997 gestellter entscheidungsreifer Antrag trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 551 Absatz 2 RVO im Hinblick auf das künftige Recht abgelehnt wurde. Auch ist ein Vorgriff auf die zukünftige Regelung vor Inkrafttreten nicht zulässig.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 13.02.2013; Aktenzeichen B 2 U 33/11 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten H. D. wegen der von der Beklagten anerkannten Berufskrankheit einer chronisch-obstruktiven Emphysembronchitis eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 vh auch in der Zeit vom 01.01.1992 bis zum 01.09.1994 zu gewähren ist.

Die Klägerin ist die Witwe des am 21.01.2004 verstorbenen Versicherten H. D ... Der Versicherte war von 1944 bis 1949 im französischen Steinkohlebergbau und von 1950 bis 1967 bei verschiedenen deutschen Bergbaugesellschaften als u.a. Hauer unter Tage tätig.

Die Beklagte leitete im Januar 1996 ein Feststellungsverfahren zur Anerkennung einer Berufskrankheit gemäß § 551 Abs. 2 RVO alter Fassung (chronische Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlebergbau) ein. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten ermittelte nach Best-Case-Berechnung 103 Feinstaubjahre und nach Worst-Case-Berechnung 206 Feinstaubjahre. Die Beklagte zog u.a. das Vorerkrankungsregister der Krankenkasse und Befundberichte der behandelnden Ärzte bei. Mit interner Verfügung vom 02.12.1996 erkannte die Beklagte bereits eine entschädigungspflichtige Erkrankung nach § 551 Abs. 2 RVO (CBE) an und verfügte eine Vorschusszahlung von 1.000,00 DM vorbehaltlich der Anerkennung der Leistungspflicht durch den Rentenausschuss.

Mit Bescheid vom 28.10.1997 lehnte die Beklagte den Anspruch auf Entschädigung jedoch mit der Begründung ab, nunmehr liege der Entwurf des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zur Neuordnung der Berufskrankheiten-Verordnung vor. Danach solle künftig die chronisch-obstruktive Bronchitis oder das Emphysem als Berufskrankheit in der Anlage zur BKV aufgenommen werden. Nach Art. 2 § 1 Abs. 1 des Entwurfs seien entsprechende Erkrankungen auch rückwirkend als Berufskrankheit anzuerkennen, wobei diese Rückwirkung auf Versicherungsfälle begrenzt sei, die nach dem 31.12.1992 eingetreten seien. Bei der Entscheidung nach § 551 Abs. 2 RVO sei der Entwurf einer neuen Änderungsverordnung zur BKV mit Aufnahme einer Berufskrankheit Nr. 4111 in die Berufskrankheitenliste im Vorgriff zu berücksichtigen. Ansonsten würde es zu einer nur mit den Zufälligkeiten des Verfahrensablaufs begründ- baren und damit nicht mehr gerechtfertigten Besserstellung gegenüber denjenigen Versicherten kommen, über deren Ansprüche erst nach Inkrafttreten der Änderung der BKV entschieden werden könne. Nach den Unterlagen habe der Sachverständige Dr. K. in seinem Gutachten vom 21.05.1996 den Versicherungsfall auf den 23.01.1986 datiert. Der Versicherungsfall sei demnach nicht, wie in dem Entwurf zur Änderung der BKV gefordert, nach dem 31.12.1992 eingetreten. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung könnten demnach nicht gewährt werden.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies dies Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.1997 als unbegründet zurück. Mit der am 01.12.1997 inkraftgetretenen Berufskrankheiten-Verordnung vom 31.10.1997 sei die chronische-obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Feinstaubdosis von in der Regel 100 als Berufskrankheit nach Nr. 4111 der Anlage zur BKV anerkannt. Nach § 6 Abs. 1 Berufskrankheiten- Verordnung sei diese Erkrankung auch rückwirkend als Berufskrankheit anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.12.1992 eingetreten sei. Da der Erkrankungsbeginn bereits bei der Begutachtung durch Herrn Prof. W...

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