Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Lebensversicherung als anrechenbares Vermögen. Verwertbarkeit einer Lebensversicherung. Unwirtschaftlichkeit einer Verwertung in Bezug auf eine Kapitallebensversicherung

 

Orientierungssatz

1. Eine Kapitallebensversicherung ist bei der Prüfung der Bedürftigkeit eines Empfängers von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende jedenfalls in Höhe des Rückkaufswertes als Vermögen zu berücksichtigen.

2. Ein Freibetrag für zur Altersvorsorge dienendes Vermögen kann in Bezug auf eine Kapitallebensversicherung erst ab dem Zeitpunkt berücksichtigt werden, in dem ein Verwertungsausschluss gemäß § 165 Abs. 3 VVG tatsächlich vereinbart war. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt eine Verwertungspflicht, soweit das Vermögen den allgemeinen Vermögensfreibetrag im Rahmen der Grundsicherungsleistungen übersteigt.

3. Jedenfalls für den Fall, dass der Rückkaufwert einer Kapitallebensversicherung lediglich 10 Prozent geringer ist als die Summe der zur Versicherung eingezahlten Beiträge, ist nicht von der Unwirtschaftlichkeit einer Verwertung durch Realisierung des Rückkaufwertes auszugehen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Verpflichtung zur Verwertung der Lebensversicherung bei der "B M" im Rahmen der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II (Zweites Sozialgesetzbuch).

Die Kläger beantragten bei dem Beklagten erstmalig im Februar 2007 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Im Rahmen dieser Antragstellung gaben die Kläger an, dass diese u.a. Inhaber einer Lebensversicherung bei der "B M" seien. Diese Lebensversicherung besaß zum Zeitpunkt der Antragstellung (Versicherungsbescheinigung vom 22.02.2007, Bl. 207 d. VA) einen Rückkaufswert i.H.v. insgesamt 22.919,06 Euro.

Den Antrag lehnte der Beklagte sodann mit streitgegenständlichem Bescheid vom 27.02.2007 (Bl. 219 d. VA) ab. Zur Begründung führte der Beklagte u. a. aus, dass die Lebensversicherung bei der "B M" als Vermögen der Kläger zu berücksichtigen sei. Insgesamt ergebe sich sodann - unter Berücksichtigung der anderweitigen - im vorliegenden Verfahren unstreitigen - Versicherungen und Kontenguthaben (vgl. Bl. 219 der VA) - ein verwertbares Gesamtvermögen i.H.v. 39.043, 67 Euro (Bl. 209 d. VA), welches die Freibeträge i.H.v. 16.200 Euro der Kläger übersteige. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere ausgeführt, dass die Lebensversicherung bei der "B M" zur Deckung des Lebensunterhalts eingesetzt werden müsse. Dagegen legten die Kläger sodann Widerspruch ein, welchen sie zunächst damit begründeten, dass der Vermögensfreibetrag tatsächlich bei 28.300 Euro liege, da die Kinder der Kläger nicht berücksichtigt worden seien. Desweiteren führten die Kläger aus, dass es sich bei der Versicherung der "B M" um eine Lebensversicherung handele, welche dem Zweck einer Rentenversicherung gleichkomme. Die Verwertung sei vor Erreichen der Ruhestandsgrenze nicht beabsichtigt. Unter dem 08.05.2007 vereinbarten die Kläger zudem noch einen vertraglichen Verwertungsausschluss im Hinblick auf die Lebensversicherung "B M".

Der Widerspruch wurde sodann seitens des Beklagten mit streitgegenständlichem Widerspruchsbescheid vom 27.06.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Insoweit führte der Beklagte aus, dass der Verwertungsausschluss erst ab dem 08.05.2007 zum Tragen komme. Zuvor handele es sich bei der Versicherung um berücksichtigungsfähiges Vermögen.

Sodann haben die Kläger vor dem erkennenden Gericht um Rechtsschutz nachgesucht. Sie tragen nunmehr nur noch vor, dass die Versicherung zumindest unter den besonderen Härtetatbestand des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II falle, womit den Klägern eine Verwertung der Versicherung nicht zugemutet werden könne.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 27.02.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2007 zu verurteilen, den Klägern Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass der besondere Härtetatbestand nicht eingreife, da dies nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lediglich dann der Fall sei, wenn bei langjährigen Selbständigen die Verwertung der Lebensversicherung zu einer unzumutbaren Versorgungslücke im Alter führe. Zudem müsse kumulativ dazu der Eintritt in das Rentenalter des Versicherungsnehmers kurz bevor stehen. Diese Voraussetzung sei bei dem Kläger zu 1) jedoch nicht gegeben, da dieser mit 46 Jahren nicht kurz vor dem Rentenalter stehe. Mithin bestehe noch ausreichend Zeit um zusätzliche Rentenanwartschaften zu erwerben.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen, welche Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Zunächst ist der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens zu ermitteln. Dieser wird ...

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