Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenberechnung. Entgeltpunkteermittlung. Grundbewertung. belegungsfähiger Gesamtzeitraum. Beginn der zu berechnenden Rente. Vollendung des 65. Lebensjahres

 

Orientierungssatz

"Rentenbeginn" iS von § 72 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 6 ist nicht der Zeitpunkt, zu dem die Rente zum ersten Mal tatsächlich ausgezahlt wird, sondern der Zeitpunkt, zu dem der Rechtsinhaber zum ersten Mal vom Rentenversicherungsträger verlangen kann, die Rente als eine jetzt zu erbringende Leistung zu zahlen (Fälligkeit des ersten Einzelanspruchs aus dem Stammrecht auf Rente). Dieses Recht erlangt der Vollrechtsinhaber mit Beginn des Monats, der auf den Eintritt des Versicherungsfalles folgt, welcher die Entstehung des Stammrechts auslöst (Anschluss an BSG vom 24.7.2001 - B 4 RA 45/99 R = SozR 3-2600 § 71 Nr 2).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.11.2008; Aktenzeichen B 5 RJ 15/04 R)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Neuberechnung der bewilligten Altersrente nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X).

Zwischen den Beteiligten ist die Berechnung des belegungsfähigen Gesamtzeitraums streitig.

Die ... 1927 in B geborene Klägerin ist jüdischer Abstammung und als Verfolgte im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt. Im Entschädigungsverfahren wurde der Klägerin eine Entschädigung für den erlittenen Freiheitsschaden in der Zeit vom 01. Mai 1940 bis zum 15. April 1945 mit Bescheid vom 25.02.1955 gewährt. Nach der Verfolgung wanderte die Klägerin im September 1947 über Schweden nach Israel ein. Sie lebt seither in Israel und besitzt die israelische Staatsangehörigkeit.

Am 05. August 1999 beantragte die Klägerin u.a. die Anerkennung von Beitragszeiten im Ghetto L nach dem Fremdrentengesetz (FRG) und die Gewährung von Altersruhegeld.

Auf diesen Antrag bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 08.06.2001 Altersrente ab dem 01.01.1995. Bei der Rentenberechnung legte sie im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung einen belegungsfähigen Gesamtzeitraum vom 25.02.1944 (Vollendung des 17. Lebensjahres) bis zum 31.12.1994 (Kalendermonat vor Rentenbeginn) zugrunde. Dieser Bescheid wurde bindend.

Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2001 beantragte die Bevollmächtigte der Klägerin die Überprüfung dieses Bescheides nach § 44 Abs. 1 SGB X und die Neuberechnung ihrer Rente unter Berücksichtigung eines kürzeren belegungsfähigen Gesamtzeitraums. Zur Begründung ihres Antrages verwies sie auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. Juli 2001 (Az.: B 4 RA 45/99). Danach müsse der belegungsfähige Gesamtzeitraum, der bei der Berechnung der Gesamtleistungsbewertung zu berücksichtigen sei, mit der Vollendung des 65. Lebensjahres enden und nicht, wie von der Beklagten angenommen, mit dem Kalendermonat vor Rentenbeginn. "Rentenbeginn" im Sinne der §§ 64, 72 SGB VI sei der Zeitpunkt, zu dem der Rechtsinhaber zum ersten Mal vom Rentenversicherungsträger verlangen könne, die Rente als eine jetzt zu erbringende Leistung zu zahlen (Fälligkeit des 1. Einzelanspruchs aus dem Rentenstammrecht). Dieses Recht erlange der Vollrechtsinhaber mit dem Beginn des Monats, der auf die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen folge, welche die Entstehung des Stammrechts auslösen (vgl. § 34 SGB VI).

Die Erlangung des Rentenstammrechts löse noch keine Einzelansprüche aus. Das Gesetz räume dem Rechtsinhaber insoweit ein Dispositionsrecht ein, ob er einen Rentenantrag stellt oder sein Antragsrecht zunächst nicht ausübt, um sich dadurch einen höheren Zugangsfaktor zu sichern. Die Auffassung der Beklagten führe zu einem Widerspruch, da der Versicherte mit einem Rentenbeginn nach dem 65. Lebensjahr zwar durch einen höheren Zugangsfaktor belohnt würde, gleichzeitig jedoch der Wert der beitragsfreien Zeiten durch eine "Überdehnung" des Gesamtzeitraums gemindert werde.

Mit Bescheid vom 14. Mai 2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf Neuberechnung der Altersrente der Klägerin ab. Den hiergegen am 12.06.2002 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05. September 2002 zurück. Sie vertritt die Auffassung, das Ende des belegungsfähigen Gesamtzeitraumes sei in § 72 Abs. 2 SGB VI mit dem Kalendermonat vor Beginn der Altersrente anzunehmen. Den Beginn einer Rente regele §§ 99 SGB VI und § 30 FRG. Nach diesen Vorschriften würde nicht zwischen Fälligkeit des 1. Einzelanspruchs aus dem Rentenstammrecht und dem Zahlungsbeginn unterschieden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 08.03.2002 Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Klage vom 04.10.2002. Sie stützt ihre Auffassung zur Dauer des belegungsfähigen Gesamtzeitraumes weiterhin auf die Entscheidung des BSG vom 24.07.2001 - B4 RA 45/99 R -.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.05.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.09.2002 zu verurteilen, den Rentenbescheid vom 08.06.2001 zu ändern und die Rente der Klägerin unter Berücksichtig...

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