Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. keine Anrechnung einer bei der Beratungshilfe verdienten Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des Rechtsanwalts

 

Orientierungssatz

1. In sozialgerichtlichen Verfahren, in denen die Betragrahmengebühren nach § 3 RVG anfallen und wegen der vorgerichtlichen Befassung des Rechtsanwalts ein verminderter Gebührenrahmen für die Vertragsgebühr nach RVG-VV Nr 3103 gilt, ist RVG-VV Nr 2503 Abs 2 teleologisch dahin auszulegen, dass entgegen dem Wortlaut dieser Vorschrift keine zusätzliche Anrechnung der Beratungshilfegebühr mehr erfolgen darf. Von einer Anrechnung der hälftigen Beratungshilfegebühr ist deshalb abzusehen.

2. Bei der Bemessung der fiktiven Terminsgebühr bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach RVG-VV Nr 3106 ist ausschließlich darauf abzustellen, wie die Terminsgebühr im Falle eines hypothetischen Termins zur mündlichen Verhandlung anhand der Kriterien des § 14 Abs 1 RVG zu bemessen wäre.

 

Tenor

Die Vergütung aus der Staatskasse für den im Klageverfahren erster Instanz (Az. S 24 R 1080/07) im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Erinnerungsführer wird unter Abänderung der Festsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 8.10.2008 auf 464,10 € festgesetzt.

Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG statthafte und gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 7 RVG formgerecht erhobene Erinnerung gegen die Vergütungsfestsetzung nach § 55 RVG, der der Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht abgeholfen hat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 4 Satz 1 RVG), ist im tenorierten Umfang begründet.

Gemäß § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt seine gesetzliche Vergütung, die er sonst vom Mandanten verlangen könnte, aus der Staatskasse, soweit im achten Abschnitt des RVG (§§ 44 bis 59 RVG) nichts anderes bestimmt ist. Er kann dabei nach § 48 Abs. 1 RVG sämtliche Gebühren und Auslagen beanspruchen, die sich aus seiner Tätigkeit ab dem Wirksamwerden seiner Beiordnung ergeben. Die ihm danach aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung (oder der Vorschuss hierauf) wird auf Antrag des Rechtsanwalts vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszugs festgesetzt (§ 55 Abs. 1 Satz 1 RVG). Sofern das Verfahren nicht durch rechtskräftige Entscheidung oder in sonstiger Weise beendet ist und sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bestimmen, erfolgt die Festsetzung durch den Urkundsbeamten des Gerichts des jeweiligen Rechtszugs (§ 55 Abs. 2 RVG).

Der Erinnerungsführer war in dem seit 10.7.2007 anhängigen und durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 9.11.2007 (§ 124 Abs. 2 SGG) beendeten Klageverfahren erster Instanz (Az. S 24 R 1080/07), das nunmehr in zweiter Instanz ruhend anhängig ist, im Wege der Prozesskostenhilfe ab Antragstellung am 20.7.2007 als Rechtsanwalt beigeordnet, so dass die Festsetzung der Vergütung aus der Staatskasse hier auf den Festsetzungsantrag vom 1.4.2008 hin durch den Urkundsbeamten des Sozialgerichts erfolgen musste.

Der Urkundsbeamte hat die Vergütung des Erinnerungsführers wie folgt festgesetzt:

- Verfahrensgebühr als Mittelgebühr nach Nr. 3103 VV-RVG

   170,00 €

- fiktive Terminsgebühr als halbe Mittelgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG

100,00 €

- Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV-RVG

20,00 €

- abzüglich der Hälfte der vorgerichtlich im Wege der Beratungshilfe   verdienten Geschäftsgebühr von 70,00 €   nach Nr. 2503 VV-RVG

- 35,00 €

- Gesamt

255,00 €

- zuzüglich 19 % Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV-RVG

48,45 €

- Festzusetzender Betrag

303,45 €

Dagegen wendet der Erinnerungsführer ein, dass die Verfahrensgebühr als Mittelgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG mit 250,00 € sowie die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG als volle Mittelgebühr mit 200,00 € zu bemessen und daher infolge der höheren Umsatzstreuer ein Betrag von 517,65 € festzusetzen sei. Damit hat er teilweise Erfolg.

1. Allerdings ist die Verfahrensgebühr vom Urkundsbeamten zutreffend nach Nr. 3103 VV-RVG und nicht nach Nr. 3102 VV-RVG bemessen worden. Denn Nr. 3103 VV-RVG bestimmt in Satz 1, dass die Gebühr nach Nr. 3102 VV-RVG für Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen - wie hier - gemäß § 3 RVG Betragsrahmengebühren entstehen, nur 20,00 € bis 320,00 € (statt 40,00 € bis 460,00 €) beträgt, falls eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist. Durch diesen geringeren Gebührenrahmen soll nach den Motiven des Gesetzgebers berücksichtigt werden, dass die vorangegangene Tätigkeit im Verwaltungsverfahren die nachfolgende Tätigkeit des Rechtsanwalts im Gerichtsverfahren erleichtert. Dementsprechend bestimmt Nr. 3103 VV-RVG in Satz 2, dass dieser Umstand bei der Bemessung der Gebühr innerhalb dieses bereits verringerten Gebührensrahmens nicht nochmals (mindernd) berücksichtigt werden darf (vgl. BT-D...

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