Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsstreit zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen Wahltarife nach § 53 SGB 5

 

Orientierungssatz

Zum Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Unterlassung des Angebots oder der Werbung einer gesetzlichen Krankenkasse für Versicherungsleistungen in Form von Kostenerstattungstarifen für Zusatzleistungen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit neuer Wahltarife der Antragsgegnerin, die diese seit dem 01.04.2007 eingeführt hat.

Die Antragsgegnerin, eine gesetzliche Krankenversicherung, beantragte die Genehmigung einer Satzungsänderung durch das Landesversicherungsamt Nordrhein-Westfalen. Bestandteil dieser Änderung waren neue Wahltarife in den §§ 26 ff. der Satzung. Die entsprechende Genehmigung wurde am 20.03.2007 durch das Landesversicherungsamt erteilt, so dass die Satzung zum 01.04.2007 in Kraft treten konnte und die entsprechenden Wahltarife durch die Antragsgegnerin seitdem angeboten wurden.

Die Antragstellerin, ein privates Krankenversicherungsunternehmen, mahnte die Antragsgegnerin zusammen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. durch Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten vom 16.05.2007 zunächst ab und forderte sie zur Unterlassung auf. Nachdem diese die Abgabe einer entsprechenden strafbewehrten Unterlassungserklärung mit Schreiben vom 22.05.2007 verweigert hatte, wurde von der Antragstellerin und dem Verband am 23.05.2007 beim Landgericht Köln der Erlass einer einstweiligen Anordnung, die auf Unterlassung des Angebots durch die Antragsgegnerin gerichtet ist, beantragt.

Die Antragstellerin hält die Angebote der Antragsgegnerin für rechts- und wettbewerbswidrig.

Es liege ein Verstoß gegen § 3 i. V. m. § 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Form eines Rechtsbruchs vor. Die Antragsgegnerin verletze § 30 Sozialgesetzbuch (SGB) IV sowie § 194 Abs. 2 SGB V, da die eingeführten Wahltarife nicht mehr von der angeblichen Ermächtigungsgrundlage des § 53 Abs. 4 SGB V gedeckt seien. Die Norm sehe nämlich nur die Möglichkeit vor, die Höhe der Kostenerstattung variabel zu gestalten. Dagegen sei eine Ausweitung des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherungen durch die gesetzliche Regelung gerade nicht möglich. Dies folge daraus, dass auch im Rahmen des § 53 Abs. 4 SGB V das Grundprinzip des § 2 Abs. 2 sowie § 13 SGB V greife, wonach eine Kostenerstattung nur anstelle der Sach- oder Dienstleistung erfolgen könne. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber die Fälle ausdrücklich geregelt, in denen er eine Leistungsausweitung gewünscht habe, z. B. § 52 Abs. 5 und 6 SGB V. Diese Sichtweise werde auch durch ein Schreiben des Bundesversicherungsamts vom 13.03.2007 bestätigt. Die angebotenen Tarife seien aber nicht vom Leistungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst. Das Angebot einer Kostenerstattung für eine Ein- oder Zweibettzimmerversorgung verstoße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V, da sie für eine Krankenhausbehandlung nicht notwendig sei. Der Tarif des § 27 der Satzung über die Kostenerstattung für “Krankenhauszuzahlungen" verkehre die Regelung des § 39 Abs. 4 SGB V über die Zuzahlungen von Versicherten geradezu ins Gegenteil. Ebenso widerspreche der Wahltarif hinsichtlich der Kostenerstattung bei Zahnersatz nach § 29 der Satzung der gesetzlich vorgesehenen Festbetragsregelung des § 55 SGB V sowie dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V. Insgesamt handele es sich um klassische Angebote von privaten Krankenversicherungsunternehmen in Form von Zusatzversicherungen, die gesetzliche Krankenversicherungen gemäß § 194 Abs. 1 a SGB V lediglich vermitteln, nicht aber selbst anbieten dürften. Damit liege ein Rechtsbruch im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG vor, zumal der Bundesgerichtshof (BGH) bereits festgestellt habe, dass § 30 SGB IV eine entsprechende wertbezogene Norm darstelle, da es Sinn und Zweck der Norm sei, die privaten Krankenversicherungsunternehmen gegen einen wirtschaftlichen Wettbewerb der gesetzlichen Krankenkassen zu schützen. Zudem sehe § 194 Abs. 1 a SGB vor, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen nicht mit den Privatversicherungen in Konkurrenz treten dürften, so dass es sich gerade nicht um eine reine Marktzutrittregelung handele.

Ein Unterlassungsanspruch folge außerdem aus Art. 12, 14 und 3 des Grundgesetzes (GG). Es werde in Art. 12 GG eingegriffen, da die Angebote der Antragsgegnerin nicht von § 53 Abs. 4 SGB V gedeckt und zudem gemäß § 194 Abs. 1 a SGB V den privaten Krankenversicherungen vorbehalten seien. Sie verhalte sich auch nicht marktkonform, da den gesetzlichen Krankenversicherungen ein Angebotsmonopol von über 90 % der Bevölkerung zukomme, das sie nutzen könne, ohne in einen Leistungswettbewerb mit den privaten Krankenversicherungsunternehmen eintreten zu müssen. Da ausreichende Angebote der privaten Krankenversicherungen bestünden, sei der Eingriff auch nicht gerechtfertigt. Gleichzeitig liege eine ...

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