Entscheidungsstichwort (Thema)

Sicherung des Lebensunterhalts. Bedarfsgemeinschaft. Mitgliedschaft des Stiefvaters bzw der Stiefkinder. Haushaltsgemeinschaft. eingeschränkte Berücksichtigung des Einkommens des Stiefvaters bei hilfebedürftigen Stiefkindern. Unterhaltsvermutung

 

Orientierungssatz

1. Dass eine berufstätige Person ihren Lebensunterhalt aus ihrem Einkommen selbst bestreiten kann, steht ihrer Mitgliedschaft in einer Bedarfsgemeinschaft nicht entgegen. § 9 Abs 1 SGB 2 fingiert eine Hilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 3 Nr 1 SGB 2 auch schon für den Fall, dass der Betreffende nur den Bedarf der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht sichern kann.

2. Der nach § 9 Abs 2 S 1 SGB 2 aus dem eigenen Einkommen und Vermögen zu sichernde Lebensunterhalt des Partners beinhaltet nicht auch eine Sicherstellung von Unterhalt an unterhaltsberechtigte Dritte.

3. Mit § 9 Abs 2 S 3 SGB 2 soll lediglich die Verteilung der Gesamtmittel der Bedarfsgemeinschaft in den Fallkonstellationen der Sätze 1 und 2 geregelt werden.

4. Ein Stiefvater gehört weder zum Personenkreis der Eltern noch der Elternteile iS des § 9 Abs 2 S 2 SGB 2. In "Stiefväterfällen" findet vielmehr die Unterhaltsvermutung des § 9 Abs 5 SGB 2 für Verschwägerte Anwendung.

 

Tenor

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern zu 3. - 6. vorläufig, vorbehaltlich einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, für die Zeit vom 28.2.2005 bis 30.4.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu erbringen, und zwar für die Antragsteller zu 3. und 4. in Höhe von jeweils 102,53 EUR monatlich, für die Antragstellerin zu 5. in Höhe von 73,75 EUR monatlich und für die Antragstellerin zu 6. in Höhe von 63,33 EUR monatlich. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen. Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern zu 3. - 6. die Hälfte von deren erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Antragsteller zu 1. und 2. sind verheiratet und wohnen mit den Antragstellern zu 3. - 6. zusammen. Die Antragsteller zu 3. - 6. sind die aus früheren Beziehungen der Antragstellerin zu 2. stammenden Kinder, die 1987, 1989, 1992 bzw. 1994 geboren wurden. Bis Ende 2004 bezogen die Antragsteller zu 3. - 6. vom Träger der Sozialhilfe laufende Hilfe zum Lebensunterhalt.

Mit einem an die Antragstellerin zu 2. "auch in der Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter" der Antragsteller zu 3. - 6. gerichteten Bescheid vom 27./28.01.2005 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch, (SGB II) ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Antragsteller zu 1. - 6. eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 SGB II bildeten, bei der das Einkommen des Antragstellers zu 1. bedarfsmindernd für die gesamte Bedarfsgemeinschaft einzusetzen sei und zur Bedarfsdeckung auch ausreiche.

Hiergegen legte die Antragstellerin zu 2. am 08.02.2005 Widerspruch ein. Sie machte geltend, dass das SGB II "in großen Teilen" gegen das Grundgesetz verstoße, und wies darauf hin, dass ihre Kinder auf die Leistungen nach dem SGB II angewiesen seien.

Am 24.2.2005 erhob auch der Antragsteller zu 1. Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid.

Am 28.2.2005 hat der Antragsteller zu 1. den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, dem sich die Antragstellerin zu 2. am 09.03.2005 "angeschlossen" hat. Unter Bezug auf die Entscheidungen des Sozialgerichts Aurich vom 08.02.2005, AZ.: S 25 AS 2/05 ER, und des Sozialgerichts Schleswig vom 02.03.2005, AZ.: S 1 AS 51/05 ER, tragen sie vor, dass das Einkommen des Antragstellers zu 1. nicht umfassend auch zugunsten seiner Stiefkinder in Ansatz gebracht werden könne. Sein Einkommen reiche auch nicht aus, den Bedarf eines 6-Personen-Haushalts zu bestreiten.

Die Antragsteller beantragen, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern zu 2. - 6. laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Monate ab Januar 2005 unter Berücksichtigung eines einzusetzenden Einkommens des Antragstellers zu 1. in Höhe von monatlich 695,03 EUR zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen. Sie lehnt die Berechnungsweise, welche die Antragsteller in Anlehnung an die zitierten sozialgerichtlichen Entscheidungen vertreten haben, ab. Hierdurch werde der Bedarf des verdienenden Familienmitglieds praktisch doppelt berücksichtigt. Es sei auch noch zu prüfen, ob die erhebliche Freilassung von Einkommensanteilen angesichts der uneingeschränkten Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Ehegatten statthaft sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Obwohl die Antragsteller zu 1. und 2. den Antrag nicht ausdrücklich - zumindest auch - im Namen der Antragsteller zu 3. - 6. gestellt haben, hat die Kammer keine Bedenken, letztere ebenf...

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