Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilferecht: Übernahme der Kosten für die Unterbringung in einem Alten- und Pflegeheim. Berücksichtigung von Vermögen bei der Bedarfsermittlung. Leistungen auf einen Bestattungsvorsorgevertrag und eine Sterbegeldversicherung als anrechenbares Vermögen. Voraussetzung der Annahme eines Härtefalls bei der Vermögensverwertung

 

Orientierungssatz

1. Bei einem Bestattungsvorsorgevertrag ist jedenfalls der im Falle der Kündigung des Vertrages bestehende Rückabwicklungsanspruch als verwertbares Vermögen im Rahmen der Sozialhilfe anzusehen.

2. Eine Sterbegeldversicherung stellt jedenfalls dann verwertbares Vermögen im Sinne des Sozialhilferechts dar, wenn ein vorzeitiges Kündigungsrecht besteht und für diesen Fall die Auszahlung eines Rückkaufswertes vorgesehen ist.

3. Allerdings kann ein Hilfebedürftiger in der Sozialhilfe regelmäßig nicht zur Verwertung eines Anspruchs aus der Rückabwicklung eines  angemessenen Bestattungsvorsorgevertrages (hier: Angemessenheit bejaht für 4.000 Euro) und einer angemessenen Sterbegeldversicherung zur vorrangigen Bedarfsdeckung verpflichtet werden, da eine solche Vermögensverwertung für ihn eine besondere Härte bedeuten würde. Dies gilt nur dann nicht, wenn die mit den jeweiligen Verträgen verbundene Vermögensverfügung gerade dazu vorgenommen wurde, um die Hilfebedürftigkeit in der Sozialhilfe herbeizuführen. Dabei reicht indes allein eine zeitliche Nähe zwischen einem entsprechenden Vertragsabschluss und dem Beginn eines Heimaufenthaltes für sich genommen noch nicht zur Annahme eines solchen Vorsatzes aus.

4. Einzelfall zur Beurteilung der Angemessenheit von Bestattungskosten im Rahmen eines Bestattungsvorsorgevertrages (hier: Angemessenheit bejaht).

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15.04.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2008 verurteilt, die ungedeckten Heimkosten für die Unterbringung der Klägerin im K-Haus C unter Außerachtlassung des Bestattungsvorsorgevertrages (E AG Versicherungsnummer 0) sowie unter Außerachtlassung der bei der Vorsorgekasse I E1 abgeschlossenen Sterbegeldversicherung (Versicherungsscheinnummer V 01; V 02; V 03) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu übernehmen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten für die Unterbringung der Klägerin in einem Alten- und Pflegeheim nach den Bestimmungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Die am 00.00.1919 geborene Klägerin lebt seit dem 23.12.2005 in dem Alten- und Pflegeheim K-Haus, C. Unter dem 04.01.2006 beantragte sie die Gewährung von Pflegewohngeld, das die Beklagte mit Bescheid vom 16.02.2006 bewilligte. Zusätzlich bezog die Klägerin u.a. Leistungen der Pflegekasse auf Grundlage der Pflegestufe I nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch.

Am 07.04.2008 beantragte die Klägerin - nach zwischenzeitlicher Feststellung der Pflegestufe II - die Übernahme der ungedeckten Heimkosten nach den Vorschriften des Sozialhilferechts. In den dem Antrag beigefügten Erklärungen zum Vermögen gab die Klägerin einen Bestattungsvorsorgevertrag, darüber hinaus eine bei der Vorsorgekasse I E1 bestehende Sterbegeldversicherung sowie ein Guthaben auf einem Sparbuch in Höhe von 253,61 EUR an.

In den Bestattungsvorsorgevertrag, der von der Klägerin am 22.12.2005 und von dem Bestattungsunternehmer I1, C, am 23.12.2005 unterzeichnet worden ist, hatte die Klägerin im Januar 2006 einen Betrag von 4.000,00 EUR eingezahlt, der von der E AG treuhänderisch verwaltet wird. Ziffer 3 des Bestattungsvorsorgevertrages hat folgenden Wortlaut:

"Falls der Vorsorgeempfänger den Bestattungsvorsorgevertrag kündigt, erfolgt die Auszahlung an den Anspruchsberechtigten gegen Nachweis der Kündigung, bei Fremdbestattung des Vorsorgeempfängers genügt die Vorlage dessen Sterbeurkunde. Anspruchsberechtigter ist aufgrund der Abtretung im Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag der Vertragsbestatter bzw. für den Fall seiner Freigabe der Treugeber oder dessen legitimierter Rechtsnachfolger."

Nach einer Kostenkalkulation vom 23.12.2005 wurden zuvor von dem Bestatter Bestattungskosten in folgender Höhe kalkuliert:

Sarg/Kiefer Vollholz für Erdbestattung ca. 1380 EUR

Deckengarnitur ca. 170 EUR Damen-Hemd ca. 80 EUR

Überführung im Raum C 130 EUR

Einsargung und Aufbewahrung 180 EUR

amtliche Erledigungen 170 EUR

2110 EUR

Ev. Kirchengemeinde V, vorhandenes 2-er Wahllager bei 30 Jahre Verlängerung, Benutzung der Friedhofskapelle Ruhekammer. Orgelspiel, 6 Träger, Bestattungsgebühr ca. 2600 EUR

Dekoration Kapelle 60 EUR

Blumen und Sargschmuck ca. 320 EUR

Traueranzeige in NW, Größe 2 spaltig/ 120 mm 510 EUR

Trauerbriefe ca. 140 EUR

Danksagungen ca. 110 EUR

Todesbescheinigung ca. 120 EUR

Kaffeetafel, bei 50 Pers. ca. 500 EUR

Sterbeurkunden ca. 30 EUR 4390 EUR

Stand Dezember 2005 gesamt ca. 6500 EUR

Abdeckung der Kosten über Treuhandvertrag 4000 EUR

Eigenanteil der Kosten 2500 EUR

In einer ergän...

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