Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Bauleiter

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn eine Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis nach Weisungen erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte und die frei Verfügung über die eigene Arbeitskraft gekennzeichnet.

2. Ein als Architekt und Bauleiter in einem Bauunternehmen tätiger Diplom-Ingenieur gilt als abhängig Beschäftigter, wenn er am Betriebssitz des Unternehmens eingestellt ist, in der Gestaltung seiner Arbeitszeit eingeschränkt ist, eine erfolgsunabhängige Vergütung auf Stundenbasis erhält, weder eigenes Kapital noch eigene Betriebsmittel einsetzt und die Tätigkeit persönlich ausführt.

3. Bei Vorliegen dieser Merkmale ist für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung das Fehlen eines Urlaubsanspruchs und eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall unbeachtlich. Dies gilt in gleicher Weise, wenn der Betreffende auch noch für andere Auftraggeber tätig ist.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens zuletzt, ob die vom Beigeladenen zu 1) vom 01.06.2000 bis zum 18.12.2009 für die Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Architekt und Bauleiter Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- sowie in der Arbeitslosenversicherung begründet hat.

Die Klägerin betrieb ein Bauunternehmen. Der Beigeladene zu 1) ist Diplomingenieur; er war vom 01.06.2000 bis zum 18.12.2009 als Architekt und Bauleiter für die Klägerin tätig.

Am 29.10.2009 beantragte die Klägerin die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Diesen Antrag lehnte das Amtsgericht Bielefeld mit Beschluss vom 07.01.2010 (Az. 43 IN 1343/09) mangels Masse ab.

Am 02.11.2009 erhob der Beigeladene zu 1) beim Arbeitsgericht Bielefeld Klage gegen die Klägerin (Az. 4 Ca 3459/09) auf Nachzahlung von Vergütung in Höhe von 21.767,61 Euro brutto nebst Zinsen. Mit Beschluss vom 14.09.2011 entschied das Arbeitsgericht, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei eröffnet, weil der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit für die Klägerin als Arbeitnehmer erbracht habe. Die hiergegen von der Klägerin erhobene sofortige Beschwerde wies das Landesarbeitsgericht Hamm mit Beschluss vom 14.05.2012 (Az. 2 Ta 668/11) zurück.

Am 09.11.2009 beantragte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten die Feststellung, dass er in seiner Tätigkeit als Architekt und Bauleiter eine abhängige Beschäftigung ausübe und der Sozialversicherungspflicht unterliege. Er gab an, den Antrag primär zu stellen, um Insolvenzgeld erhalten zu können. Die Tätigkeit sei weisungsgebunden erfolgt. Er sei in die Betriebsstruktur der Klägerin eingebunden gewesen und habe regelmäßige Arbeitszeiten einzuhalten gehabt. Ein Kapitaleinsatz habe nicht vorgelegen. In neun Jahren Tätigkeit habe er keinen Auftrag abgelehnt. Ein schriftlicher Vertrag existiere nicht. Es sei im Jahr 2000 ein Stundenentgelt in Höhe von damals 70,00 DM netto vereinbart worden. Die Arbeitszeit habe sich wie bei den ca. 15 angestellten Bauleitern von morgens 8.00 Uhr bis abends 18.00 Uhr erstreckt. Bei Krankheit und Urlaub sei keine Lohnfortzahlung erfolgt. Er habe alle Tätigkeiten persönlich ausgeführt und habe keine Hilfs- oder Ersatzkräfte ge-stellt. Bei Krankheit oder Urlaub sei seine Tätigkeit von den angestellten Bauleitern übernommen worden. Ein Unterschied zu den angestellten Bauleitern habe lediglich in der Vergütung bestanden. Arbeitsmittel wie Telefon, Fax, Schreibtisch, PC und PKW seien von der Klägerin zur Verfügung gestellt worden. Er habe bei der Klägerin einen festen Büroarbeitsplatz gehabt. Er sei mit einer Firmenvisitenkarte der Klägerin ausgestattet gewesen, in deren Telefonverzeichnis aufgeführt gewesen, habe eine E-Mail-Adresse der Klägerin gehabt und habe an allen Betriebsfeiern teilgenommen. Der Beigeladene zu 1) legte u.a. Stundennachweise, Rechnungen, Visitenkarte und Telefonverzeichnis vor.

Auf Anhörung der Klägerin mit Schreiben der Beklagten vom 12.03.2010 zu der beabsichtigten Feststellung des Vorliegens eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nahm diese nicht Stellung.

Die Beklagte stellte mit gegenüber dem Beigeladenen zu 1) erlassenen Bescheid vom 28.04.2010 und gegenüber der Klägerin erlassenen Bescheid vom 12.05.2010 fest, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sei im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden. Sie führte aus, für eine abhängige Beschäftigung sprächen folgende Merkmale: Die Tätigkeit sei am Betriebssitz der Klägerin ausgeübt worden. Es habe ein fester...

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