Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.08.2018; Aktenzeichen B 12 KR 8/17 R)

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 16. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2009 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, ab 1. Januar 2009 Beiträge nur in Höhe des Mindestbeitrages für freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung zu verlangen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die deshalb ab 1. Januar 2009 zu Unrecht gezahlten Beiträge zu erstatten.

4. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der ab dem 01.01.2009 zu zahlenden Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung.

Die Klägerin ist seit März 2007 bei der Beklagten als freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung versichert. Sie lebt zusammen mit Herrn D. D. in ehelicher Gemeinschaft, wobei dieser als Ruhestandsbeamter sich privat kranken- und pflegeversichert hat. Sie leben in einer sogenannten „Patchwork-Familie“, d.h. dass drei der im gemeinsamen Haushalt lebende Kinder (E. D., geb. 1990, F. D., geb. 1991, G. D., geb 1994) aus einer früheren Beziehung des Herrn D. entstammen, während die Klägerin zwei eigene Kinder (H. I., geb. 1993 und J. A., geb. 1995) aus anderen Beziehungen mitgebracht hat. Keines der Kinder ist ein gemeinsames gezeugtes Kind. Während die Klägerin über keinerlei Einkommen verfügt, bezieht Herr D. Einkünfte in Form einer von dem Land Hessen gewährten Pension, die im Juni 2009 monatlich 2.727,22 € brutto betrugen.

Mit Bescheid vom 16. Juli 2009 setzte die Beklagte - unter Bezugnahme auf die zum 01.01.2009 in Kraft getretenen „Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträgen vom 27.10.2008, zuletzt geändert am 17.12.2008 (künftig: „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler “) - ab dem 01.01.2009 für die Klägerin einen Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung iHv. monatlich 229,77 € sowie ab dem 01.07.2009 iHv. monatlich 221,59 € fest, wobei sie die Hälfte der Pension des Herrn D. als eigenes Einkommen der Klägerin - ohne Abzug von Pauschalen für die Kinder - in Ansatz brachte. Den Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend macht, dass entweder die Kinder zur Reduzierung des Einkommens des Ehemannes und damit letztlich ihres Einkommens führen müssten oder sich aufgrund ihrer eigenen Kinder ihr Einkommensbetrag mindern müsse, wies die Beklagte schließlich mit Bescheid vom 5. November 2009 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die am 7. Dezember 2009 beim hiesigen Gericht erhobene Klage, mit der die Klägerin die zum 01.01.2009 erfolgte Erhöhung ihrer Beitragslast infolge der „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" für rechtswidrig hält. Dazu macht sie im Wesentlichen geltend, dass die Nicht-Berücksichtigung der im gemeinsamen Haushalt der Klägerin und Herrn D. lebenden Kinder rechtswidrig sei. Entweder müssten bei dem Einkommen ihres Ehemannes alle fünf Kinder einkommensmindernd berücksichtigt werden oder zumindest bei dessen Einkommen dessen eigenen Kinder und bei dem daraus sich ergebenden Einkommen der Klägerin zusätzlich ihre beiden Kinder, denn das Einkommen ihres Ehemannes werde durch die Unterhaltsverpflichtungen der Kinder gegenüber deutlich gemindert. Zumindest müssten bei dem ihr zuzurechnenden Einkommen (die Hälfte der Einkünfte des Ehemannes) iHv. mtl. 1.363,61 € ihre beiden Kinder mit jeweils einem Fünftel der monatlichen Bezugsgröße abgesetzt werden. Aber auch die drei Kinder ihres Ehemannes reduzierten dessen Einkommen und damit ihr - abgeleitetes - Einkommen, selbst wenn diese keine gemeinsamen Kinder sind. Grundsätzlich seien im Sinne der gesetzlichen Regelung gemeinsame unterhaltsberechtigte Kinder denjenigen Kindern gleichzustellen, die in der Familie des Mitgliedes leben und unterhalten werden, so dass sowohl ihre Kinder als auch die Kinder ihres Ehemannes einkommensmindernd zu berücksichtigen seien. Eine andere Auslegung der gesetzlichen Regelung widerspräche dem Schutz der Familie, wonach die Gleichberechtigung von ehelichen und nichtehelichen Kindern auch bei der Berechnung der Beiträge auf die in der Familie erzielten Einkünfte unabhängig davon zu gewährleisten sei, wer jetzt leiblicher Elternteil ist. Selbst wenn die Klägerin für die drei Kinder ihres Ehemannes nicht verpflichtet sei, deren Unterhalt zu sichern, sei dessen Einkommen jedoch aufgrund seiner Unterhaltspflicht diesen Kindern gegenüber zu reduzieren.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, auch die ab dem 01.01.2009 fälligen Beiträge nur in der bis zum 31.12.2008 gültigen Höhe festzusetzen und die daraufhin zu Unrecht gezahlten Beiträge der Klägerin zu e...

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