Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit. Vortragstätigkeit bei einem Prozessbeteiligten. pauschale Ablehnung aller Vertreter des abgelehnten Richters

 

Orientierungssatz

1. Allein der Umstand, dass ein Richter vergütete "Inhouse-Schulungen" (hier: zum Gebührenrecht) in den Räumlichkeiten eines Jobcenters für dessen Mitarbeiter durchgeführt hat, begründet in einem sozialgerichtlichen Verfahren mit diesem Jobcenter als Verfahrensbeteiligtem für sich genommen noch keine Besorgnis der Befangenheit.

2. Die pauschale Ablehnung aller Vertreter des abgelehnten Richters wegen Befangenheit ist unzulässig.

 

Tenor

1. Das Gesuch der Antragstellerin, sämtliche Vertreter des Richters am Sozialgericht D. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird als unzulässig verworfen.

2. Das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin gegen den Richter am Sozialgericht D. wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten in dem Erinnerungsverfahren, welches dem Befangenheitsantrag zu Grunde liegt, über die Höhe der vom Gericht für ein abgeschlossenes Verfahren festzusetzenden erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerseite.

Zuständig für die Entscheidung über Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des Sozialgerichts Cottbus allein die 30. Kammer. Deren Vorsitzenden, den Richter am Sozialgericht D., lehnt der Prozessbevollmächtigte namens und in Vollmacht der Antragstellerseite wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.

Zur Begründung führt er aus, der abgelehnte Richter werde vom Erinnerungsgegner, dem Jobcenter Oberspreewald-Lausitz (OSL) bezahlt. Er halte dort so genannte “Inhouseseminare„ zum Gebührenrecht. Er sei insofern nicht in der Lage, in Kostensachen unvoreingenommen zu entscheiden, weil er damit rechnen müsse, bei “Fehlentscheidungen„ aus Sicht der Behörde von dieser keine Aufträge mehr für seine gewerbliche Tätigkeit zu erhalten.

Die Antragstellerseite lehnt ferner sämtliche Vertreter des abgelehnten Richters und deren jeweilige Vertreter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Es stehe zu befürchten, dass die abgelehnten Richter einer Entscheidung über das Befangenheitsgesuch schon deshalb nicht unvoreingenommen gegenüberstünden, weil im Falle einer erfolgreichen Ablehnung die Arbeit der Kostenkammer durch diese übernommen werden müsse. Bei der Vielzahl der bereits jetzt zu erledigenden Verfahren werde jeder Richter wohl so ziemlich alles dafür tun, nicht mit weiteren Verfahren belastet zu werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die zu der Akte gereichten Schriftsätze verwiesen.

Der abgelehnte Richter am Sozialgericht D. hat eine dienstliche Stellungnahme abgegeben, die dem Beteiligten zur Kenntnisnahme und Stellungnahme übersandt wurde. Hierin legt er dar, er sei sich keines Fehlverhaltens bewusst. Eine “Käuflichkeit„ seiner Entscheidungen liege nicht vor. Zutreffend sei, dass er einmalig eine Schulung bei dem Jobcenter Oberspreewald-Lausitz ausschließlich für dessen Mitarbeiter vorgenommen habe. Regelmäßige Schulungen führe er nicht durch und erhalte daher keine regelmäßigen Zahlungen. Des Weiteren habe habe er bundesweit im Rahmen von Schulungen für das Deutsche Anwaltsinstitut (DAI) nahezu 100 Rechtsanwälte geschult, darunter auch den Prozessbevollmächtigten antragstellerseits. Die Schulung, die der Prozessbevollmächtigte antragstellerseits erfahren habe, sei mit der Schulung der Mitarbeiter des JobCenters weitgehend inhaltsgleich gewesen. Zur Höhe seiner Einkünfte habe er sich im Rahmen eines Dienstaufsichtsbeschwerdeverfahrens geäußert, Beanstandungen habe es insoweit seitens der Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg nicht gegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der dienstlichen Äußerung verwiesen.

II.

Gemäß § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Richter abgelehnt werden, wenn die Besorgnis der Befangenheit besteht. Diese liegt vor, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen ist. Entscheidend ist ausschließlich, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln, also ob der Beteiligte von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben kann (BVerfG, Beschluss vom 05.04.1990, Az.: 2 BvR 413/88, juris Rn. 24; vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 11. Auflage, § 60 Rn. 7 mit weiteren Nachweisen). Die Pauschale Ablehnung eines gesamten Gerichts oder Senats ohne Vortrag von Befangenheitsgründen, die sich individuell auf den oder die beteiligten Richter beziehen, ist rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.10.2015, Az.: L 32 SF 288/15 AB, juris Rn. 3 m.w.N.).

Das Ablehnungsgesuc...

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