Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen für eine Feststellung nach dem Schwerbehindertenrecht bei einer Ausländerin mit Duldung gemäß § 60a AufenthG

 

Tenor

Der Bescheid vom 18. Dezember 2007 i. d. F. des Widerspruchsbescheides vom 02. Dezember 2008 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte eine Feststellung gem. § 2 SGB IX über die Behinderung der Klägerin vorzunehmen hat.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Verpflichtung der Beklagten, eine Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) der Klägerin nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) vorzunehmen.

Die 1956 geborene Klägerin ist iranische Staatsangehörige. Sie befindet sich bereits seit 1995 in A-Stadt in neurologischer Behandlung wegen eines cerebralen Anfallsleidens bei kryptogenetischer Epilepsie. Eine Abschiebung der Klägerin ist derzeit ausgesetzt; sie befindet sich ausländerrechtlich im Status der Duldung. Über ihren im September 2007 bei der Ausländerbehörde A-Stadt gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 104 a des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet ( Aufenthaltsgesetz - AufenthG -) oder § 25 Abs. 5 AufenthG ist bisher nicht bestandskräftig entschieden worden.

Am 20. August 2007 beantragte die Klägerin die Feststellung ihrer Behinderungen nach dem SGB IX und legte ärztliche Atteste des Internisten Dr. BZ: vom 10. Mai 2007 und des Neurologen Dr. AOH. vom 17. Juli 2007 vor. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Ausländerbehörde A-Stadt durch Schreiben vom 09. November 2007 mit, die Klägerin sei zur Ausreise verpflichtet. Eine Abschiebung der Klägerin in den Iran sei aber nicht möglich, da sie nicht bereit sei, sich den hierfür erforderlichen iranischen Nationalpass oder ein Passersatzpapier bei dem iranischen Generalkonsulat in B-Stadt zu beschaffen. Daraufhin lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 18. Dezember 2007 den Antrag der Klägerin ab mit der Begründung, sie gehöre nicht zu dem nach § 2 SGB IX anspruchsberechtigten Personenkreis.

Im Widerspruchsverfahren wies die Klägerin darauf hin, dass sie damit rechne, auf Grund ihres noch nicht beschiedenen Antrags in den Besitz einer regulären Aufenthaltserlaubnis zu kommen. Sie erfülle die zeitlichen Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 104 a AufenthG. Die Beklagte holte einen Befundbericht des Dr. AOH. vom 03. Juni 2008 ein erkundigte sich bei der Ausländerbehörde A-Stadt danach, ob die Duldung verlängert werde. Die Ausländerbehörde teilte durch Schreiben vom 06. November 2008 mit, auf Grund der Erkrankung der Klägerin könne davon ausgegangen werden, dass ihre Duldung weiterhin verlängert werde. Eine Abschiebung sei in den letzten Jahren nicht in Betracht gekommen. Durch Widerspruchsbescheid vom 02. Dezember 2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Dagegen richtet sich die am 05. Januar 2009 erhobene Klage, mit welcher die Klägerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Verpflichtung der Beklagten zur Vornahme einer Feststellung ihrer Behinderung begehrt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, nach Mitteilung der Ausländerbehörde könne sie eine Aufenthaltserlaubnis aus dringenden humanitären Gründen gem. § 25 Abs. 5 AufenthG erhalten, hierfür müsse aber eine amtsärztliche Untersuchung veranlasst werden. Wann diese erfolgen werde, sei ihr nicht bekannt. Es sei aber von einem auf Dauer angelegten Aufenthalt in der Bundesrepublik auszugehen, obwohl sie derzeit noch lediglich im Besitz einer Duldung sei. Im Übrigen beruhe ihre jahrelange Duldung durchgehend auf Krankheitsgründen, so dass es auf die Frage ihrer (Nicht-)Mitwirkung bei einer Passersatzpapierbeschaffung nicht ankomme.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

1. den Bescheid vom 18. Dezember 2007 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 02. Dezember 2008 aufzuheben;

2. festzustellen, dass die Beklagte eine Feststellung gem. § 2 SGB IX über die Behinderung der Klägerin vorzunehmen habe.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die Versorgungsverwaltung sich grundsätzlich an der Entscheidung der Ausländerbehörde zu orientieren habe, deren Überprüfung ihr kaum möglich sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe schon in seinem Urteil vom 01.09.1999 (B 9 SB 1/99 R) angeführt, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt i. S. d. § 2 SGB IX nur in Betracht komme, wenn einer freiwilligen Ausreise Hindernisse entgegenstünden, die der Kläger nicht zu vertreten habe. Die Bewertung, inwieweit die Klägerin ihren weiteren Verbleib in der Bundesrepublik zu vertreten habe und ob ihr eine Duldung oder ein Aufenthaltstitel zu erteilen sei, obliege der Ausländerbehörde und nicht der Beklagten. Schon aus diesem Grunde werde die Übertragbarkeit der o.a. Rechtsprechung des BSG auf das seit dem 01. Januar 2005 geltende AufenthG für unzutreffend gehalten. Die Beklagte gehe davon aus, dass die zuständ...

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