Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Erhöhung der Unterkunftskosten nach nicht erforderlichem Umzug. zeitliche Beschränkung der Anwendung von § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 auf zwei Jahre. Angemessenheitsprüfung für die Kosten der neuen Unterkunft

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 findet nach Ablauf von zwei Jahren keine Anwendung, wenn lediglich eine maßvolle Kostensteigerung vorliegt und wenn anzunehmen ist, dass sich auch die ursprüngliche Miete erhöht haben würde und Anhaltspunkte für einen Sozialleistungsmissbrauch nicht vorliegen (so bereits SG Berlin vom 12.9.2008 - S 82 AS 20480/08).

2. Der Umzug ist im Sinne von § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 nicht erforderlich, wenn zwar der Auszug wegen eines Räumungstitels erforderlich ist, jedoch die Kündigung des Mietverhältnisses auf einem selbstverschuldeten und vermeidbaren Verhalten des Hilfebedürftigen beruht. In diesem Fall ist die Beschränkung auf die bis dahin zu tragenden angemessenen Aufwendungen für - in der Regel - zwei Jahre zulässig.

 

Orientierungssatz

Zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze für die Unterkunftskosten gem § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 für einen Zweipersonenhaushalt anhand eines Berliner Mietspiegels.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 13. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2009 verurteilt, den Klägern Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum Februar bis einschließlich Juni 2009 von 418,61 EUR, für Juli bis einschließlich Oktober 2009 von 418,35 EUR sowie für November 2009 von 444,35 EUR zu gewähren.

Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren die Gewährung höherer Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum Februar bis November 2009.

Die Klägerin zu 1) ist Mutter des im August 1989 geborenen Klägers zu 2). Sie mietete mit Vertrag vom 5. Dezember 2003 eine 68,7 m² große 3-Zimmer-Wohnung in der K…straße in … B an. Aufgrund von Beschwerden der Nachbarn wegen der Haltung von Hunden kündigte der Vermieter im Juni 2004 das Mietverhältnis und erhob im September 2004 Räumungsklage. Das Amtsgericht Hohenschönhausen stellte nachfolgend die Unwirksamkeit der Wohnraumkündigung mit der Begründung fest, dass eine letzte Abmahnung genügt hätte.

Im Jahr 2006 hielt die Klägerin zu 1) in ihrer Wohnung 3 Hunde: einen Malteserhund und zwei West-Highland-Terrier. Wieder kam es wiederholt zu Beschwerden der Nachbarn wegen Lärm- und Geruchsbelästigungen. Mehrfach mahnte der Vermieter die Klägerin zu 1) ab. Im Mai 2006 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis fristlos und erhob Räumungsklage. Auf dringendes Anraten des zuständigen Richters des Amtsgerichts Hohenschönhausen erkannte die Klägerin zu 1), die den vorgetragenen Kündigungsgründen nicht substantiiert entgegentreten konnte, den Räumungsanspruch an. Am 27. September 2006 erging ein Anerkenntnisurteil. Mit Schreiben vom 15. November 2006 forderte der Vermieter die Kläger zur Räumung der Wohnung auf. Diesen Zeitpunkt belief sich die monatliche Miete auf 387,65 EUR bruttowarm, wovon das zuständige JobCenter monatlich 375,81 EUR anerkannte.

Zum 1. Februar 2007 mietete die Klägerin zu 1), eine 61,6 m² große 2,5-Zimmer-Wohnung in der G… in B…-N… zu einem monatlichen Mietzins von 430,00 EUR an. Die damalige Miete setzte sich aus 280,00 EUR Kaltmiete, 90,00 EUR Betriebskosten und 60,00 EUR Heizkosten zusammen. Die Wohnung wird über Fernwärme beheizt, die Heizanlage versorgt eine Gebäudefläche von 5.125,61 m 2 . Warmwasser wird vermieterseits zur Verfügung gestellt, eine separate Kostenerfassung existiert hierfür nicht. Die Zustimmung zur Übernahme der Aufwendungen für die neue Wohnung holten die Kläger nicht ein. Der Beklagte erkannte die Erforderlichkeit des Umzugs nicht an und bewilligte den Klägern nachfolgend ab Februar 2007 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von lediglich 375,81 EUR monatlich.

Mit Bescheiden vom 13. Februar 2009 bewilligte der Beklagte den Kläger für den Zeitraum von Februar bis Mai 2009 sowie für Juni bis November 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe des zuvor anerkannten Betrages von monatlich 375,81 EUR. Hiergegen erhoben die Kläger am 24. Februar 2009 Widerspruch. Zur Begründung führten sie aus, dass der Umzug wegen der Kündigung erforderlich gewesen und die neue Miete angemessen sei. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2009 zurück.

Mit der am 11. März 2009 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie tragen vor, dass der Verlust der Wohnung wegen des Räumungsurteils nicht selbst verschuldet sei, da der Richter die Abgabe eines Anerkenntnisses empfohlen habe. Durch Abgabe des Anerkenntnisses hätten sich die Gerichtskosten vermindert.

Zu November 2009 erhöhte der Vermieter den monatlichen Kaltmietzins um 15,00 EUR auf 295,00 EUR sowie die Vorauszahlu...

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