Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Kostenfestsetzungsverfahren. anwaltliche Vergütung. volles Anerkenntnis. anwaltliche Tätigkeit. keine Kausalität. keine Erledigungsgebühr. fiktive Terminsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Die Annahme eines "vollen" Anerkenntnisses löst regelmäßig keine Erledigungsgebühr aus, sondern wird durch die "fiktive" Terminsgebühr nach RVG-VV Nr 3106 abgegolten.

 

Tenor

Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 23.03.2006 (S 20 RJ ….) wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Zu Recht hat der Urkundsbeamte die Festsetzung der Erledigungsgebühr nach Nr. 1006, 1002 VV RVG abgelehnt. Nach der Vorschrift entsteht die Gebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.

Dabei reicht nach übereinstimmender Ansicht die Annahme eines “vollen„ Anerkenntnisses regelmäßig nicht aus, wenn der Rechtsanwalt nicht kausal an der Abgabe des Anerkenntnisses in einem über die normale Verfahrensführung hinausgehenden Umfang mitgewirkt hat.

Eine zusätzliche Erfolgsgebühr, wie in Nr. 1002 VV RVG vorgesehen, rechtfertigt sich nur dann, wenn über die mit der ordnungsgemäßen Einlegung des Rechtsbehelfs verbundene Tätigkeit hinaus eine anwaltliche Tätigkeit entfaltet wird, die - wie mit ihr beabsichtigt - zur gütlichen Erledigung des Rechtsstreits führt. Dies ist vor allem in den Fällen denkbar, in denen der Kläger zunächst ein weitergehendes Ziel verfolgt hat, das er nach teilweiser Abhilfe durch die Verwaltung auf Anraten seines Anwalts fallen lässt. In diesen Fällen kommt die Streitbeendigung dem Abschluss eines Vergleichs nahe. Die Vorschrift will nur den Besonderheiten des Verwaltungsverfahrens in den Fällen Rechnung tragen, in denen eine Streitbeilegung nur der Form nach, nicht aber auch nach ihrem Inhalt, in anderer Weise als durch Vergleich erfolgt. Das besonders vergütete Bemühen des Anwalts muss dem eines Vergleichsabschlusses entsprechen.

Vorliegend wurde ein “volles„ Anerkenntnis der Beklagten angenommen. Diese Tätigkeit ist vollumfänglich mit der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG abgegolten. Es ist für das Gericht in keiner Weise erkennbar, worin das besondere Bemühen um eine unstreitige Verfahrenserledigung der klägerischen Bevollmächtigten, das über die mit der Verfahrensgebühr abgedeckte normale Verfahrensführung hinausgeht, bestanden haben soll. Auch kann das Gericht eine Kausalität zwischen dem abgegebenen Anerkenntnis und der anwaltlichen Tätigkeit nicht erkennen.

Um den Begriff der "Erledigung" auszufüllen, verweisen die Nrn. 1006, 1005 VV RVG auf Nr. 1002 VV RVG. Die Erläuterung zu Nr. 1002 VV RVG bestimmt in Satz 1, dass die Gebühr entsteht, wenn sich "eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt". Das Gleiche gilt nach Satz 2, "wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt". Nach Satz 1 muss mithin ein Verwaltungsakt mit einem Rechtsbehelf angefochten worden sein, der zu seiner Aufhebung oder Änderung führt; in der Folge ("nach"), dh nach Tätigwerden sowohl der Behörde als auch des Anwalts, muss sich die Rechtssache dann erledigen. Die bloße Rücknahme eines eingelegten Rechtsbehelfs kann damit ebenso wenig für die Erfüllung des Tatbestands ausreichen wie umgekehrt die umgehende vollständige Abhilfe der Behörde ohne besondere anwaltliche Aktivität. Die anwaltliche Mitwirkung muss vielmehr gerade kausal für die Erledigung der Rechtssache gewesen sein (so auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Februar 2006 - 2 O 223/05, juris RdNr 5; FG des Saarlandes, Beschluss vom 14. November 2005 - 2 S 335/05, juris RdNr 15 ). Bereits das Wort "Mitwirkung" bedeutet nach dem Sprachgebrauch in diesem Zusammenhang mehr als die bloße "Anwesenheit", "Einschaltung" oder "Hinzuziehung" eines Rechtsanwalts (ähnlich: Hartmann, Kostengesetze, 1002 VV RVG RdNr. 11) und erfordert deshalb ein auf die Erledigung der Rechtssache gerichtetes Tätigwerden, das über die reine Klageeinreichung und -begründung hinausgeht. Nur in diese Auslegung fügt sich auch der Wortlaut der inhaltlich neuen Erläuterung zu Nr. 1002 (Satz 2) VV RVG ein, die den unter Geltung der BRAGO noch nicht ausdrücklich geregelten Fall betrifft, dass sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt (Verpflichtungswiderspruch). Die Worte "Das Gleiche gilt" stellen klar, dass es für das Entstehen einer Erledigungsgebühr sowohl in einer Anfechtungssituation als auch bei einem Verpflichtungsrechtsbehelf auf die auf Erledigung gerichtete Mitwirkung des Anwalts ankommt. Nichts anderes kann fü...

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