Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktive Terminsgebühr. Untätigkeitsklage. unstreitige Erledigung durch Übersenden des begehrten Bescheids. kein Anfall der Gebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Eine (fiktive) Terminsgebühr entsteht bei unstreitiger Erledigung einer Untätigkeitsklage durch Übersendung des begehrten Bescheides bzw Widerspruchbescheides nicht (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung der Kammer).

 

Tenor

Auf die Erinnerung wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 4. März 2019 (S 93 AS 38/19) geändert und der Betrag der zu erstattenden außergerichtlichen Kosten wird auf 166,60 Euro festgesetzt. Der Ausspruch über die Verzinsung gilt entsprechend.

Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Dem Kostenstreit liegt ein Untätigkeitsklageverfahren wegen der Nichtbescheidung eines Widerspruchs gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid zugrunde. Das beklagte Jobcenter teilte in dem Verfahren unter dem 30. Januar 2019 schriftsätzlich mit, mit einem (beigefügten) Abhilfebescheid vom 29. Januar 2019 abschließend im Widerspruchsverfahren entschieden zu haben. Darüber hinaus teilte es mit: „Das Klageverfahren dürfte sich damit erledigt haben. … Der Beklagte erklärt sich dem Grunde nach zur Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten bereit.“

Mit nachfolgendem Schriftsatz vom 7. Februar 2019 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsgegnerin „das Verfahren in der Hauptsache für erledigt“, nahm das Kostengrundanerkenntnis des Beklagten an und beantragte die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten wie folgt:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

120,00

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG

108,00

Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG

 20,00

Zwischensumme

248,00

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

 47,12

Gesamtbetrag

295,12 EUR.

Ferner beantragte der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsgegnerin die Verzinsung seit Eingang des Festsetzungsantrages.

Der Erinnerungsführer erhob Einwände gegen die Höhe der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG sowie gegen den Anfall der „fiktiven“ Terminsgebühr. Der Rechtsstreit habe nicht durch angenommenes Anerkenntnis seine Erledigung gefunden. Er bezog sich dabei auf mehrere, näher bezeichnete Entscheidungen des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen. Auf den Schriftsatz vom 22. Februar 2019 nimmt die Kammer Bezug.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat durch Beschluss vom 4. März 2019 die außergerichtlichen Kosten antragsgemäß festgesetzt. Zur Begründung führte sie ua aus, dass ein Anerkenntnis im prozessualen Sinne vorliege, weshalb die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Satz 2 Ziff. 3 VV RVG angefallen sei.

Mit seiner Erinnerung, die sich ausschließlich gegen die Festsetzung einer „fiktiven“ Terminsgebühr nach Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 VV RVG richtet, begehrt der Erinnerungsführer die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten iHv 166,60 EUR. Unter Vertiefung seines Vorbringens aus dem Kostenfestsetzungsverfahren trägt er vor, dass das Hauptsacheverfahren nach Entfall des Rechtsschutzbedürfnisses durch die (einseitige) Erledigungserklärung der Klägerin beendet worden sei. Der Erlass des Bescheides vom 29. Januar 2019 stelle kein materiell-rechtliches Anerkenntnis iSd § 101 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dar.

Der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsgegnerin hat dagegen eingewandt, die angefochtene Entscheidung entspreche der ständigen Rechtsprechung der Kostenkammern des Sozialgerichts Berlin.

Die Kammer hat den Beteiligten unter dem 20. November 2020 mitgeteilt, dass sie beabsichtige, der Erinnerung in Ansehung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. September 2020, Aktenzeichen: B 4 AS 13/20 R (juris) stattzugeben. Die Beteiligten haben sich hierzu schriftsätzlich geäußert. Der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsgegnerin vertritt die Auffassung, der vorliegende Sachverhalt weiche von dem vom BSG entschiedenen Sachverhalt ab. Der Beklagte im Hauptsacherechtsstreit habe niemals erklärt, ein Anerkenntnis nicht abgeben zu wollen. Auch wenn der Erlass des begehrten Bescheides kein Anerkenntnis darstellen sollte, sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte die Kostentragung vollumfänglich anerkannt habe. Das Verhalten des Beklagten könne somit nicht anders als ein Anerkenntnis ausgelegt werden.

Der Erinnerungsführer hat mitgeteilt, der Rechtsansicht der Kammer zu folgen.

II.

Die zulässige Erinnerung ist begründet. Nachdem der Erinnerungsführer bereits im Hauptsacherechtsstreit mit Schriftsatz vom 30. Januar 2019 mitgeteilt hat, der Rechtsnachfolger des ursprünglichen Beklagten zu sein, war das Rubrum entsprechend zu berichtigen.

Eine „fiktive“ Terminsgebühr nach Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 VV RVG ist nicht angefallen. Nach der Norm entsteht die (Termins-)Gebühr auch, das Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.

Soweit die Kostenkammern des Sozialgerichts Berlin in ständiger Rechtsprechung (vgl exemplarisch die Entscheidunge...

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