Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreites sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Witwerrente aus der Versicherung der 2019 verstorbenen C.S.

Laut Sterbeurkunde des Standesamtes W. vom 08.11.2019 ist Frau C.S. am 29.10.2019 verstorben. Als Familienstand gibt die Sterbeurkunde an: Ledig.

Obwohl der Kläger und die Verstorbene nicht eine bürgerlich-rechtliche Ehe vor dem Standesamt geschlossen haben, haben sie in einer jahrelangen Lebensbeziehung gelebt, die dem Bild einer Ehe entsprochen hat.

Insbesondere sind aus der Beziehung drei Kinder hervorgegangen.

1988 wurde E.S. geboren. Der Kläger hat am 19.02.1988 die Vaterschaft anerkannt. Die Verstorbene hat der Anerkennung der Vaterschaft zugestimmt (vgl. beglaubigte Abschrift der Urkunde des Amtsgerichts N., Blatt 12 Beklagtenakte). Außerdem hat der Kläger sich vor dem Amtsgericht N. am 10.06.1988 zur Leistung des Regelunterhaltes bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres verpflichtet. Am 10.07.2002 haben Kläger und Verstorbene vor dem Landratsamt B. erklärt die elterliche Sorge für E.S. gemeinsam ausüben zu wollen.

1989 wurde P.S. geboren. Auch für ihn hat der Kläger die Vaterschaft anerkannt und sich zur Leistung des Unterhaltes bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres verpflichtet (vgl. Blatt 16 Beklagtenakte, Erklärung vom 22.12.1989). Am 10.07.2002 haben der Kläger und die Verstorbene erklärt, die elterliche Sorge gemeinsam ausüben zu wollen.

1993 wurde M.S. geboren. Auch für sie hat der Kläger die Vaterschaft anerkannt (vgl. beglaubigte Abschrift der Urkunde vom 23.02.1994 des Amtsgerichts B., Blatt 18 Beklagtenakte). Am 10.07.2002 haben der Kläger und die Verstorbene erklärt, die elterliche Sorge für M.S. gemeinsam ausüben zu wollen.

Am 13.01.2020 hat der Kläger Antrag auf Witwerrente gestellt. Diesen Antrag hat die Beklagte mit dem Bescheid vom 27.01.2020 abgewiesen. Zur Begründung hat die Beklagte im Wesentlichen ausgeführt, dass für die Gewährung einer Witwerrente unter anderem zum Zeitpunkt des Todes eine rechtsgültige Ehe bestanden haben müsse. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt.

Den mit Schreiben vom 31.01.2020 eingelegten und mit dem Schreiben vom 02.04.2020 begründeten Widerspruch hat die Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid vom 08.05.2020 zurückgewiesen. Auch hier hat die Beklagte ausgeführt, dass die frühere Lebensgefährtin und der Kläger zu keinem Zeitpunkt rechtsgültig verheiratet gewesen seien. Bei eheähnlichen Gemeinschaften bestehe keine gültige Ehe. Der Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft sei daher nach dem Tod der Versicherten kein Witwer und habe keinen Anspruch auf Witwerrente; verwiesen wurde in diesem Zusammenhang auf die Urteile des BSG vom 04.03.1982 und vom 30.03.1994).

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Klage vom 12.06.2020. Mit der umfangreichen Klagebegründung vom 16.07.2020 hat die Bevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, dass der Kläger mit seiner verstorbenen Lebensgefährtin zwar nicht offiziell eine Ehe vor dem Standesamt geschlossen habe, dennoch habe er faktisch eine eheliche Lebensgemeinschaft im Sinne des § 1353 BGB geführt. Diese sei auch auf Lebenszeit geschlossen gewesen. Die Ehegatten trugen auch füreinander entsprechende Verantwortung. So seien insbesondere gemeinsame Kinder aufgezogen worden. Die Lebensgefährtin erfülle auch die allgemeine Wartezeit nach § 50 Abs. 1 und § 51 SGB VI.

Der Kläger sei als Witwer einzustufen. Es lägen insbesondere auch die Voraussetzungen der Analogie vor. Es liege eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzgebers vor. Der Gesetzgeber habe bei der Abfassung des § 46 SGB VI nicht berücksichtigt, dass im Rahmen der gesellschaftlichen Entwicklung vielfältige Möglichkeiten des Zusammenlebens von Personen sich ergeben könnten. So habe der Gesetzgeber planwidrig nicht berücksichtigt, dass es Formen der faktischen ehelichen Lebensgemeinschaft gebe, die in allen Pflichten unter Rechten mit der sonstigen „klassischen“ ehelichen Lebensgemeinschaft übereinstimmen, bis auf den Punkt, dass die Ehe nicht vor dem Standesamt geschlossen worden sei.

Eine Vergleichbarkeit der Interessen und Wertungslage sei gegeben. Für die Gleichstellung würden insbesondere auch verfassungsrechtliche Aspekte sprechen. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz sei verletzt, wenn die faktische Ehegemeinschaft nicht der klassischen Ehe, die vor dem Standesamt geschlossen werde, gleichgestellt werde.

Einen sachlichen Differenzierungsgrund für die unterschiedliche Behandlung gebe es insoweit nicht. Der Gesetzgeber hätte deshalb auch die faktische Ehegemeinschaft in § 46 SGB VI ausdrücklich erwähnen müssen beziehungsweise eine entsprechende Härtefallregelung treffen müssen. Auch ein Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit liege vor.

Insgesamt lasse sich sagen, dass das System der Witwenrente schon vor dem Ableben aller Beteiligten traditionelle Lebensformen zementiere und zur strukturellen Benachtei...

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